phil hat geschrieben:Es spielt doch gar keine Rolle, wieviele Menschen ich als Pirat in Schach halten müsste - ich brauche die Kontrolle über Brücke und Maschine, das ist zunächst mal alles.
Das bekomme ich doch, einmal an Bord, relativ leicht hin, wenn meine kriminelle Energie groß genug und meine Bewaffnung ausreichend ist.
Das alles noch während der Nacht - wer wird sich mir denn noch in den Weg stellen, wenn ich einmal küstennahe, afrikanische, jemenitische oder sonstige Gebiete erreicht habe ?
Die Rechnung, es mit 1500 oder mehr "Gegnern" zu tun zu haben, ist schlichtweg naiv.
Die zahlenmäßige Unterlegenheit läßt sich durch Waffen und ihre Anwendung ausgleichen....
Das ist eine Milchmädchen-Rechnung.
Versetze dich in die Lage eines Schiffnapers - wenn du nur Brücke und Maschinenraum kontrollierst, kannst du zwar zunächst bestimmen, wohin das Schiff fährt, aber du hast hunderte von Leuten, die ungehindert durch das Schiff geistern und sehr schnell auch dumme Gedanken kommen werden, möglicherweise versuchen werden, auszubüxen oder gar, das Schiff zu sabotieren.
Als Entführer musst du also das Schiff zunächst
komplett unter deine Kontrolle bringen, und da wird´s schwierig: Du musst entweder alle Passagiere und Besatzungsmitglieder an einer Stelle versammeln, sofern es überhaupt einen solch großen Raum an Bord gibt, oder dafür sorgen, dass jeder in seinem Quartier bleibt. Dafür bräuchtest du wohl, grob geschätzt, für jeden Kabinengang zwei Bewaffnete, und zwar rund um die Uhr. Daneben Leute, die für dich Brücke und Maschinenraum überwachen, und zwar welche, die was von der Sache verstehen, damit dir die Besatzung keinen Unfug treibt.
Und, nicht zu vergessen, eine Überwachung für die Kombüse: Deine Geiseln wollen schließlich auch was essen, denn verhungert sind sie nichts mehr wert, und du willst ja nicht, dass einer der Köche besondere "Gewürze" verwendet.
Du brauchst also je nach Schiffsgröße eine sehr große und zumindest teilweise gut ausgebildete Mannschaft, und eine gute, durchgeplante Logistik - und kannst damit trotzdem nicht verhindern, dass eine der Geiseln in einem Anflug von Größenwahn etwas Dummes tut, uns sei es nur, seine Kabine in Brand zu setzen. Denn Helden (ob im guten oder schlechten Sinn verwendet, bleibt sich eigentlich gleich) wird es geben, erst recht, nachdem sich nach 9/11 eigentlich kein Entführter sicher sein kann, ob er nicht eigentlich schon tot ist. Lass es nur ein oder zwei Promille der Geiseln sein, und du hast da auch noch ein unkalkulierbares Problem.
Nein, eine längere Entführung eines großen Passagierschiffs ist für jeden Piraten ein zu großes Risiko, und nicht umsonst ist so etwas noch nie vorgekommen, denn selbst die Achille-Lauro-Entführung war nicht geplant, sondern eher eine Kurzschlussreaktion ertappter Terroristen.
Von daher halte ich die Piraten-Attaken eher für ungeplante, spontane Versuche, nach dem Motto: Abgreifen, wenn´s was gibt, und sofort wieder verschwinden.