Wie in diesem Thread hier http://www.kreuzfahrten-treff.de/der-re ... t3652.html (und aus vielen negativen Bewertungen bei einem großen Urlaubsbeurteilungsportal) ersichtlich, scheint ja enormes Diskussionspotential über die Kurzreise der MSC Poesia zum angegebenen Zeitpunkt zu bestehen. Eigentlich sollte dies nur ein Beitrag zu dieser Diskussion werden. Aber da es – mal wieder bei mir – zu viel Text wurde, eröffne ich einen neuen Thread, obgleich es kein neues Thema ist.
Ich will in meinem „Kurzreisebericht“ zunächst anmerken, dass ich diese Fahrt (und mein Wiedersehen mit MSC genau 5 Jahre nach einer sehr guten Reise) genossen habe und die Teilnahme nicht bereue. Die beiden Hauptgründe:
1. Das absolut prächtige und ausnehmend geschmack- und liebevoll eingerichtete Schiff. Trotz der nicht wegzudiskutierenden Tatsache, dass es bei Vollbelegung auf der Musica-Klasse an einigen Stellen etwas eng wird (es sind eben sehr viele Passagiere für ein Schiff der Panamax-Größe darauf untergebracht), ist die MSC Poesia – von der Hardware her – ein nachhaltig beeindruckendes Erlebnis. Verblüffend, wie viel Geld hier für hochwertige Materialien und Möbel für ein Mittelklasseschiff in die Hand genommen wurde.
2. Das konstant hervorragende Kaiserwetter in Oslo und Kopenhagen. Ich weiß gar nicht, womit ich das verdient hatte.

Bezüglich der angesprochenen Kritikpunkte bin ich wie Raoul der Ansicht, dass MSC den Schlüssel zur Lösung einiger Probleme in einer viel intensiveren und kompetenteren Ausbildung und vor allem Führung der Servicecrew finden würde. Man merkt im Vergleich zu 2005, dass die Gesellschaft in den letzten Jahren viel zu schnell gewachsen ist – ein organisches Wachstum unter Wahrung eines annehmbaren Serviceniveaus ist bei diesem Tempo kaum möglich. Wenn doch, dann nur mit deutlich verbesserter Schulung und Führung der Mitarbeiter.
Einige konkrete Erfahrungen:
Geschmack und Qualität der Speisen bei Frühstück und Mittagessen am (in der Tat recht hektischen) Buffet fand ich für die Preisklasse in Ordnung. Wenn man sich am „hinteren“ Kaffeeautomaten zwischen den beiden Restaurantteilen bedienen ließ, war die Wartezeit gering (in meinem Fall maximal 2–3 Minuten). Auch das Abräumen des Geschirrs und der Getränkeservice funktionierte befriedigend.
Beim Service im Restaurant waren Mängel nicht zu übersehen. Wir merkten es beim Frühstück im „Le Fontane“: Während wir beim ersten Versuch lange Wartezeiten auf Speisen und Getränke in Kauf nehmen und schwere organisatorische Mängel feststellen mussten, lief es am Ausschiffungsmorgen und an einem anderen Tisch wesentlich besser. Hier hatten wir bemühtes Personal um uns, dass auch Sonderwünsche zu erfüllen versuchte (was nicht immer möglich ist, wenn beispielsweise von der Gesellschaft zu wenig des beliebten Orangensafts bereitgestellt wird

Das alternativ angebotene abendliche Spezialitätenrestaurant und die schöne (aber m. E. zu teure) Sushi-Bar haben wir nicht ausprobiert. Wohl aber die Pizzeria (abends im SB-Restaurant): Für Preise zwischen 4 und 6 Euro gab es hervorragende Pizza, die man zu Recht als „original neapolitanisch“ bezeichnen darf.
Für mich als Wein- und Kaffeegenießer sehr positiv: Die Qualität des (Zuzahl-) Kaffees und der Weinkarte war hervorragend, und das bei absolut zivilen Preisen. Der gelegentlich gegenüber MSC erhobene Vorwurf der „Abzocke“ bei den Getränke-Nebenkosten (der sich in Wahrheit wohl nur auf den Bierpreis bezieht...) ist in meinen Augen unanständig. Die Bordabrechnung (in unserem Fall hauptsächlich Getränke) war trotz des häufigen Ausfalls einiger Computer (was das Unterschreiben manueller Belege zur Folge hatte) übrigens absolut korrekt.
Noch einige für MSC (und die Poesia) charakteristische Aspekte:
Sie ist ein sehr „musikalisches“ Schiff. Die Auswahl an (überwiegend guten) Livebands verschiedenster Stilrichtungen (und einer sehr stimmungsvollen, gut gefüllten Disco) sucht auf einem Schiff dieser Größe ihresgleichen. Wer Wert darauf legt, ausgiebig das Tanzbein zu schwingen, ist hier auf dem richtigen Dampfer.
Eltern müssen sich keine wirklichen Sorgen um das Betragen ihrer Kinder machen. Es ging von Seiten der Besatzung und der Mitpassagiere gepflegt, aber überaus locker zu. Unsere mitreisenden Freunde (Erstkreuzfahrer) nebst 7-jähriger Tochter genossen diese Atmosphäre sehr. Die vielen „kleinen“ Passagiere schienen allesamt begeistert von der Poesia.
Auch das Showangebot ist familienorientiert: Alle drei Shows (im absolut fantastischen Theater, der Raum und die aufwändigen Kostüme und Bühnenbilder waren für mich das eigentliche Erlebnis) bestanden aus 4 (etwas bescheidenen) Tanzeinlagen und 3 Auftritten von Akrobaten oder der einzigen Solosängerin. Kinderfreundlich kurz (30 Minuten) und unter Vermeidung babylonischen Sprachgewirrs. Praktisch für international gemischtes Publikum. Für mich jedoch künstlerisch unbefriedigend.
Die „Informationspolitik“ auf der MSC Poesia war sehr mangelhaft, fast schon dilettantisch.



Das Fazit: Wenn man eine Kreuzfahrt mit der Einstellung antritt, dass das Glas immer halbvoll statt halbleer und jeder Urlaubstag kostbar ist, war dies eine lohnenswerte Kurzreise auf einem wunderschönen Schiff, das manches in Gastronomie und Service hochwertigere Konkurrenzprodukt aus Amerika (z.B. RCIs Radiance oder NCLs Jewel Class) im Design vergleichsweise banal und uninspiriert wirken lässt. Allerdings sind diese Schiffe auch aufgrund des zur Verfügung stehenden Raumes wesentlich großzügiger. Deshalb fühle ich mich dort auch noch wohler.
Wenn man ein günstiges Angebot für eine MSC-Reise entdeckt und keine Erwartungen an einen regelrechten „Verwöhnurlaub“ hegt, wie ihn beispielsweise Celebrity Cruises bietet, macht man nichts falsch. Insbesondere, wenn man mit Kindern reist, denen man die Welt zeigen will.
Herzlichen Dank an Sonnendeck-Seereisen

Ein letztes Wort zum problematischen Thema Kurzreise: Es kam im oben angesprochenen Thread zu der Aussage, MSC liege hier wohl mit an der Negativ-Spitze. Dem kann ich aufgrund dieser Erfahrung so nicht beipflichten, es blieb glücklicherweise ein großer Abstand zu den sehr enttäuschenden Leistungen der beiden deutschen Veranstalter Phoenix und Transocean gewahrt (viele Forenmitglieder dürften sich an die Kurzreisen 2008 von MS Albatros und MS Marco Polo und die anschließenden Diskussionen erinnern). Wer jedoch Wert auf eine wirklich reibungslose Kurzkreuzfahrt legt, dem möchte ich den Tipp geben, diese mit einem Schiff zu unternehmen, das nichts anderes als Kurzreisen macht (z. B. Color Magic oder Disney Wonder) - nur dort ist man auf die kurzreisespezifischen Problemchen meiner Erfahrung nach organisatorisch wirklich gut aufgestellt.
Noch besser: Man nimmt für die kleinen Auszeiten auf dem Wasser ein schönes Flussschiff.
Viele Grüße
Andreas