Wir waren gegen 17 Uhr von Madeira abgefahren und sind am Abend und in der Nacht wieder in die lange Dünung mit Wellen von 3-6 m von Norden und damit von der Seite gekommen.
Mit den Stabis war das Geschaukel eigentlich recht angenehm. Gegen frühen Morgen änderte sich das und wechselte in Stampfen und teilweise ordentliche Schläge gegen die Bordwand und das nachfolgende leichte Rütteln, was euch sicher bekannt ist. Ich dachte zunächst an Wetteränderung und schlief weiter, so gut es ging.
Als ich später dann einen Hubschrauber vernahm, war ich auch zu faul, aufzustehen. Das Geräusch war schnell weg und es war noch relativ dunkel, so gegen 5:45 ungefähr.
Ich dachte an einen Hubschrauber eines Kriegsschiffes in der Nähe, der sich unseren Dampfer einmal ansehen wollte.
Als das Geräusch wieder deutlich vernehmlich auftauchte, ging ich auf den Balkon und war doch geflasht.
Direkt neben uns stand ein großer Seaking in der Luft. Wer ihn kennt, weiß, was das für ein Gerät ist. Für andere hier ein paar Daten:
Reichweite 1.500 km
3400 PS
Länge 22,1 m
Rotordurchmesser 19 m
Gewicht Max 9 Tonnen
Und das war nicht alles. Um uns kreiste eine zweimotorige C-130 Hercules.
Hätte ja zunächst alles sein können, bis hin zu Antiterror. Aber daran dachte ich nicht, ich dachte gleich an einen medizinischen Notfall und das war es auch. Ich nahm war, dass wir von ursprünglich Westkurs wegen des Wartens auf den Hubschrauber auf Nordkurs, daher das Stampfen, nun eine 180 grad Kurve fuhren und schließlich mit Wellen von Achtern nur noch kleinste Fahrt machten, um manövrierbar zu bleiben.
Der Hubschrauber, setzte mit gewaltigem Gedröhns zum ersten Anflug über den Bug an. Sehr vorsichtig tastete er sich heran, musste die 3-5 m Stampfen des Bugs und die Geschwindigkeit des Schiffes ausgleichen.
Einen Unfall das großen Hubschraubers mit seinen Rotoren von 19 m Durchmesser auf dem Vorschiff mochte ich mir gar nicht vorstellen. Wer die Quantum-Class kennt, weiß, dass das kein langes Vorschiff ist. Wahrscheinlich waren sogar Löschteams in Bereitschaft.
Als er über dem Bug stand, sah ich nur noch den Heckrotor für 1-2 Minuten, dann war er weg, auch das Geräusch. Erster Anflug fehlgeschlagen oder nur die Transporttrage abgesetzt?
Der Hubschrauber flog zunächst über Steuerbord eine weite Kurve und tauchte dann langsam wieder vor unserem Balkon auf Deck 12 in Warteposition auf. Nach ca. 3 Minuten erfolgte der zweite Anflug, sehr langsam und vorsichtig. In der geöffneten Seitentür standen 2 Retter in orangen Schwimmwesten.
Diesmal stand er länger über dem Vorschiff und bewegte sich wirklich mit dem Schiff auf und ab sowie seitlich. Es war eine Meisterleistung des Piloten, der sicher Blut und Wasser schwitzte.
Der zweite Anlauf klappte dann und der Hubschrauber kam zurück, stand etwas am Schiff, wahrscheinlich um den erkrankten an Bord ordentlich zu positionieren und drehte dann nach Osten ab in die Morgensonne. Es war gegen 7 Uhr. Nach Madeira waren es ungefähr schon 450 km. Die C 130 war weiterhin um das Schiff gekreist und flog gemeinsam mit dem Seaking davon. Wahrscheinlich war sie Notfall-Backup und vielleicht auch Luftbetankungs-Option.
Wir drehten dann wieder nach Westen und hatten durch das Manöver ungefähr 5 h verloren. Daher fuhren wir den Rest der Reise volle Geschwindigkeit laut Kapitän.
Angegeben ist das Schiff mit 22 knoten maximal, ich habe aber auch 22,8 im Bord-TV gesehen.
Der Kapitän sagte später, dass er nach Mitternacht von den Ärzten informiert wurde, dass man einen Notfall an Bord hatte, der mit den medizinischen Möglichkeiten an Bord nicht mehr ausreichend behandelt werden könnte.
Was aus dem/der Erkrankten wurde, wissen wir nicht. Auch nicht, ob Angehörige mitgeflogen sind.
Während der ganzen Zeit habe ich schöne Fotos und Videos machen können. Bisher war mir das einstellen hier immer zu kompliziert. Ich muss mir das noch einmal ansehen, wie das geht und versuche es vielleicht.
Ich habe nun eine Frage an euch:
Wer bezahlt solch eine teure Rettung?
Der Patient und seine Versicherung?
Die Reederei?
Oder Portugal aufgrund gültiger weltweiter Vereinbarung zur Seenotrettung?
Ein am Nebentisch sitzender Schweizer mit vielen Kreuzfahrten sagte mir, er hätte so etwas auch noch nicht erlebt und selbst solch einen Hubschrauber würde man in der Schweiz nicht sehen.
