Reisebericht 'Donau total' Aug./Sept. 2011

Nicht nur auf hoher See kann man die Annehmlichkeiten einer Kreuzfahrt genießen, sondern auch auf Flüssen, Seen & Kanälen
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goll1
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Reisebericht 'Donau total' Aug./Sept. 2011

Beitrag von goll1 »

Hallo!

Nachdem wir vor gut 3 Jahren schon mal die kurze Donautour (Passau - Budapest) unternommen hatten, wollten wir diesmal die die große Donautour (Passau - Schwarzes Meer) in 16 Tagen absolvieren. Als Schiff haben wir uns die MS Elegant Lady ausgesucht. Das Schiff ist mit 4 Sternen klassifiziert.

Die Elegant Lady wurde 2003 in der Grave-Werft in den Niederlanden erbaut (von dort stammt z. Bsp. auch die Saxonia). Die Namensgeberin war Audrey Hepburn, die im Schiff auch mit einem Photo und einer Statue gewürdigt wurde. Dadurch, dass das Schiff nur über 2 geschlossene Decks (üblich sind auf der Donau ja mittlerweile 3 Decks) verfügt, weist es eine sehr 'schnittige' (elegante) und langezogene Silhouette auf. Das Einzige, was dabei optisch etwas stört, ist der lange Bugwulst.

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Das Schiff fährt unter bulgarischer Flagge der Reederei Dunav(Donau)-Tours aus Rousse. So stellen auch Bulgaren aus Rousse und Umgebung den größten Teil der Crew. Die Deutschkenntnisse der Besatzung waren gut bis ausreichend, wobei natürlich vor allem die Crew-Mitglieder mit direktem Kundenkontakt (Hotelmanagement, Restaurantservice) recht gute Sprachkenntnisse hatten.

Im Interieur des Schiffes wurde sehr viel Holz und Messing verarbeitet, insofern also die 'klassische Linie'. Die Kabinen verfügen über 2 Schrank-Klappbetten und einen begehbaren Kleiderschrank. Von der Ausstattung her also große Ähnlichkeit mit der Saxonia (oder Swiss Coral), da merkt man, dass wohl derselbe Ausstatter am Werke war. Auch die Nasszelle verfügte über ausreichend Platz.

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Einziger Minuspunkt: der Geruchsverschluss der Dusche funktionierte leider nur sehr unzuverlässig, so dass es dort öftrs nach Kloake roch. Die Toiletten sind noch konventionell, also nicht in Vakuumbauweise, ausgeführt.

Wie üblich ist das Schiff vollklimatisiert. Leider lassen sich dadurch auch keine Fenster öffnen, wie dies bei anderen Schiffen (zumindestens teilweise) möglich ist.

Auf dem Sonnendeck gibt es noch eine Besonderheit, die man nicht bei vielen Flusskreuzfahrtschiffen findet: die Skybar. Es handelt sich hierbei um einen geschlossenen Aufbau hinter dem Steuerhaus auf dem Sonnendeck, welcher auch klimatisiert ist (ansonsten wäre hier im Sommer ein Aufenthalt auch kaum möglich, da sich dort kein Fenster öffnen läßt).

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Auf dem hinteren Sonnendeck gibt es dann einen fest aufgebauten Sonnenschutz und einige Sonnenschirme (die letzteren während der Fahrt nicht nutzbar). Leider ist der Sonnenschutz etwas klein ausgefallen und die wenigen Schattenplätze wurden meist von den Rauchern okkupiert. Ausserdem findet man hier noch einige Fahrräder, die man sich an der Rezeption ausleihen kann.

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Insgesamt befindet sich das Schiff in einem guten Pflegezustand und die Besatzung ist sehr nett und freundlich. Die Küche ist gut(bürgerlich) und schmackhaft und man passt die Menues auch jeweils den gerade durchfahrenden Ländern an. Morgens gibt es ein Buffet, mittags und abends wird ein 4- bzw. 5-Gänge Menue serviert. Manchmal gab es statt des Menues auch ein Buffet, z. Bsp. wenn viele Gäste auf Ausflugstour waren. Auf unserer Reise war es eine all-inklusive Verpflegung, d.h. Bier, Tischwein, Softdrinks, Kaffee, Tee, etc. waren im Reisepreis inkludiert. In manchen Kritiken zu diesem Schiff wurde das Essen 'angemeckert', dem kann ich mich nicht anschliessen. Wer hier getrüffelte Gänseleberpastete, Hummer und Krabbencocktail erwartet, der hat wohl das falsche Schiff gebucht.

Eine Empfehlung noch: aufgrund der langen Strecken, die auf dieser Tour gefahren werden müssen, fährt das Schiff (abgesehen von den Ausflugsstops) praktisch Tag und Nacht durch. Es ist also eine Kabine auf dem Oberdeck und auch relativ weit vorne zu empfehlen, da hier die Motorgeräusche am erträglichsten sind.

Fortsetzung folgt...

Viele Grüße,

- Karl-Josef
Zuletzt geändert von Gerd Ramm am 09.10.2011 18:41, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Überschrift in 2011 geändert von shiplover2002
dibi
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Re: Reisebericht 'Donau total' Aug./Sept. 2011

Beitrag von dibi »

Danke, Karl-Josef, wir freuen uns schon auf den zweiten Teil deines Reiseberichts.
Gruß Brigitte u. Dieter
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Kayah
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Re: Reisebericht 'Donau total' Aug./Sept. 2011

Beitrag von Kayah »

Ein sehr interessantes Schiff :) . Die Skybar gefällt mir. Ich habe "Donau total" 2007 mit der MS Aurelia gemacht. Da gab es wenig Schatten und es war im Sommer sehr heiß - dafür hatten wir französische Balkone. Eine Kombination aus beiden fände ich toll. Bin schon gespannt auf den 2. Teil.
goll1
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Re: Reisebericht 'Donau total' Aug./Sept. 2011

Beitrag von goll1 »

Zu den einzelnen Stationen der Reise möchte ich jeweils einige Stichpunkte erwähnen, die mir aufgefallen sind oder die evtl. hilfreich auch für andere sein könnten. Insgesamt gesehen war das Schiff sehr pünktlich, d.h. die geplanten Fahrzeiten wurden sehr genau eingehalten bzw. sogar unterschritten. Während der ganzen Reise (bis auf den letzten Tag in Passau) hatten wir stetts sehr schönes Wetter, d. h. blauer Himmel, Sonnenschein und kein Tag unter 30 °C...

Die Anreise verlief relativ problemlos. Da in Passau ja Tag für Tag Kreuzfahrer ankommen und abreisen, gibt es dort schon eine eingespielte Routine: man kann das Gepäck (nach Schiff sortiert) schon direkt auf dem Bahnsteig auf Gepäckwagen laden. Vom Bahnhofsvorplatz fahren dann Busse zu den einzelnen Schiffen, das Gepäck wird separat bis vor die Kabine angeliefert. Dieses Verfahren funktioniert auch so für die Rückreise.

Die Elegant Lady lag in Passau-Lindau, also einige Kilometer flussabwärts. In der ersten Etappe ging es dann gleich die ganze Nacht durch bis zum nächsten Morgen in Wien-Nussdorf. Die Anlegestellen dort befinden sich flussaufwärts von Wien. Zu Fuss muss man von dort ca. 15 min. am Ufer entlang bis zur Bahnhofsunterführung Nussdorf gehen. Die bequemste Möglichkeit ist es, vom Bahnhofsvorplatz mit dem 'Klingelwurm' (Straßenbahn, Linie D) direkt in die Innenstadt zu fahren. Fahrkarten erhält man im Tabaktrafik auf dem Bahnhofsvorplatz, die Bahn fährt tagsüber ca. alle 10 min. und benötigt ca. 30 min bis zum Kärtner Ring/Staatsoper. Da ist man dann auch gleich in der Fussgängerzone.

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Zurückgefahren bin ich dann mit der U-Bahn ab Schwedenplatz, da man auf dieser Route aber Umsteigen muss (mit Bahnsteigwechsel und Wartezeit), ist man auch nicht schneller als mit der Strassenbahn. Zudem sind die neueren Strassenbahnen klimatisiert, Wien bei 34 °C im Schatten ist doch schon etwas schweisstreibend...

Die nächste Station war schon Budapest (mit einem kurzen Zwischenstopp in Esztergom für den Ausflug Donauknie), das Schiff lag hier abends sehr zentral in der Nähe der Freiheitsbrücke. Zur Fussgängerzone (Vaci utca) oder Markthalle waren es nur 5-10 min. Fussweg. Budapest war auch die einzige Station, die wir bei der Rückfahrt noch länger wiedersehen würden.

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Den nächsten Tag über lag die Elegant Lady dann in Mohacs. In Mohacs befindet sich auch die große Grenzstation für den Schiffsverkehr zwischen EU und Balkan.

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Vormittags wurde ein Stadtrundgang angeboten, nachmittags der Ausflug nach Pecs. Da es sich um ein kleineres Städtchen handelt, kann man den Stadtrundgang auch gut auf eigene Faust unternehmen. Sehenswert ist die Gedächtniskirche (sieht von aussen einer Moschee ähnlich) und das Rathaus. Dort ist man sehr multikulturell, es leben auch noch ca. 8000 Deutsch(stämmig)e in Mohacs (teilweise Rentner, die vom warmen Klima und den niedrigen Immobilienpreisen profitieren und dort ihren Lebensabend verbringen).

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Interessant fand ich, dass selbst in der ungarischen Provinz die deutsche Bankenwelt vertreten ist: Sparkasse, Volksbank, Raiffeisenbank, alles da.

Fortsetzung folgt...
goll1
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Re: Reisebericht 'Donau total' Aug./Sept. 2011

Beitrag von goll1 »

Vielleicht noch eine allgemeine Vorbemerkung: in den Ländern ab Ungarn donauabwärts merkt man noch (insbesondere bei den Fahrten über Land), dass hier noch bittere Armut herrscht. Dies betrifft insbesondere Bulgarien, Rumänien und die Ukraine. Die Infrastruktur sieht hier (immer noch) düsterer aus, als in der DDR damals vor der Wende. Ausser wenigen 'Prachtbauten' im sozialistischen Betonstil und wenigen EU-Projekten hat sich hier leider noch nicht zuviel getan, was die Bausubstanz betrifft.

Nächster Kurzstopp des Schiffes war Novi Sad in Serbien, um hier Ausflugsgäste abzusetzen. Hier lag dann auch eine 'alte Bekannte' vor Anker, die MS Rügen.

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In Novi Sad gibt es dann auch einige Brücken über die Donau, die ansonsten im unteren Teil der Donau relativ spärlich gesät sind. Das Schiff fuhr dann weiter nach Belgrad. Während der Fahrt kam ein relativ stürmischer Wind auf, der sogar Teile des Sonnenschutzes 'gefetzt' hat. Belgrad liegt an der Mündung der Save in die Donau, der Schiffsanleger dort befindet sich auch nicht an der Donau, sondern an der Save. Was mir auffiel: der Fremdenführer konnte fliessend und akzentfrei deutsch. Kein Wunder, er ist in Deutschland geboren und aufgewachsen und kam erst später in sein Heimatland zurück. Belgrad selbst ist nicht unbedingt eine Touristenattraktion, wenige historische Gebäude und diese sind oft in keinem guten Zustand. Und man sieht auch noch Kriegsschäden; mitten in der Stadt steht abgesperrt immer noch ein halb eingestürztes Haus, wo man noch blindgegangene Tomahawk-Marschflugkörper vermutet, eine Entschärfung hält man bis jetzt für zu gefährlich. Die Kathedrale des heiligen Sava ist eine der größten orthodoxen Kirchen weltweit, jedoch nur aussen fertig, innen steht man quasi in einem Rohbau.

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Von der alten Festung hat man einen schönen Blick auf die Mündung der Save in die Donau. Ansonsten ist Belgrad die 'Partymeile des Balkans'. Was man auch merkt: sehr viele junge Leute im Staßenbild, direkt an der Schiffsanlegestelle fand (unter recht hohem Polizeiaufgebot) abends ein Tanzwettbewerb statt, wo es recht lautstark zuging.

Nachts sollte eigentlich die Weiterfahrt erfolgen, daraus wurde aber nichts. Die Polizei hatte die Donau wegen Sturmwarnung gesperrt. Das hatte ich als Flussanwohner auch noch nicht erlebt, dass ein Fluss wegen Sturmwarnung gesperrt wurde. Erst am nächsten Morgen kam dann die Freigabe, das Schiff hatte jetzt 8 Std. Verspätung.

Für den folgenden Tag hatte dies wenigstens den Vorteil, dass die Kataraktenstrecke ('Eisernes Tor') nicht frühmorgens, sondern erst nachmittags befahren wurde. Als Anwohner von Rhein und Mosel sind solche Gebirgsstrecken natürlich wohl bekannt, hier auf der Donau ist der Unterschied, dass es immer mal wieder Engstellen, dann aber auch zwischendurch Becken gab, wo die Donau wiederum 1 km Breite aufwies. An einer dieser Engstellen findet man die römische Trajanstafel (101). Schräg gegenüber hat man erheblich später, quasi als Gegenpol, in den neunziger Jahren das Antlitz von Decebal monumental in einen Felsen gemeisselt.

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Wie man hier auch an der Brücke sieht, gibt es auf der Kataraktenstrecke an beiden Flussufern (Serbien und Rumänien) jeweils eine Straße, man kann diese Tour also auch per Auto oder Bus absolvieren. In einem dieser Becken liegt auch Orsova, welches über eine bekannte Schiffswerft (http://www.snorsova.ro/html/about.html) verfügt. Hier wurden auch Kaskos für Flusskreuzfahrtschiffe gebaut, die dann später z. Bsp. in den Niederlanden ihre Innenausstattung bekamen.

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Kurz darauf erreicht das Schiff dann den gigantischen Staudamm und Schleuse Derdap I.

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Als Gemeinschaftsprojekt von Jugoslawien und Rumänien wurde die Donau hier um fast 40 m angestaut. Riesige Turbinen erzeugen einen Großteil des Stroms für beide Länder. Der Rückstau reicht fast bis Belgrad. Nebeneffekt war natürlich, dass dutzende Dörfer in den Fluten versanken und etliche Meter höher am Donauufer neu errichtet werden mussten. Ausserdem ist seitdem die Kataraktenstrecke praktisch gefahrlos für Schiffe befahrbar. Die Schiffe werden hier in einer sehr großen Doppelschleuse um 35 m (20 m + 15 m) donauabwärts abgesenkt.

Fortsetzung folgt...
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Daniel
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Re: Reisebericht 'Donau total' Aug./Sept. 2011

Beitrag von Daniel »

Danke für die ersten Teile des ausführlichen Berichtes!
Freu mich auf mehr!
goll1
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Re: Reisebericht 'Donau total' Aug./Sept. 2011

Beitrag von goll1 »

Zu den Ausflügen: die dort benutzen Busse wiesen oft noch deutsche oder niederländische Aufschriften auf. Wie man merkte, handelte es sich um ältere Modelle, die von Reiseunternehmen in Deutschland und den Niederlanden bereits 'abgeschrieben' und verkauft worden waren, um dann hier auf dem Balkan einer 'Zweitverwertung' zugeführt zu werden.

Aufgrund der Verspätung durch den verlängerten Aufenthalt in Belgrad konnte der Ausflug nach Bukarest nicht wie geplant durchgeführt werden. Normalerweise sollten die Busse von Giurgiu (gegenüber von Ruse) nach Bukarest fahren (Bukarest liegt knapp 80 km von der Donau entfernt, Von Giurgiu nach Bukarest gibt es eine Autobahn). Stattdessen wurden die Ausflugsgäste bereits in Turnu Magurele für die Busfahrt abgesetzt. Von Turnu Magurele selbst sah man nichts, nur eine qualmende (und stinkende) Chemiefabrik am Ufer:

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Den Ausflug selbst habe ich mir aber nicht angetan. Und das war auch gut so. Die zurückkehrenden Ausflügler waren nämlich nicht sehr begeistert: 4 Std. Hinfahrt auf Landstrassen durch die 'rumänische Pampa' waren nicht unbedingt so der Bringer. Das inkludierte Mittagessen (das hatte wohl auch nicht unbedingt Spitzenqualität) gab es aufgrund der Verspätung erst um 16:00 Uhr. Bukarest selbst ist anscheinend touristisch nicht unbedingt interessant, es sei denn, man steht auf 'Protzbauten' eines größenwahnsinnigen Diktators. Mit nur wenigen Gästen an Bord ging es dann weiter nach Oltenita. Die Donau ist hier schon ziemlich breit, jedoch (im Gegensatz zum Rhein) fast kaum befahren.

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Relativ spät abends wurden die Ausflugsgäste dann wieder in Oltenita (auch hier liegt der Ort wieder einige KM landeinwärts) an Bord genommen.

Am nächsten Tag stand dann das Donaudelta auf dem Programm. Das Donaudelta wird von 3 Donauarmen gebildet: Sfantu Gheorge, Sulina, Chilia. Der hier geplante Ausflug mit einem kleineren Ausflugsboot in die Seitenäste des Sulina-Arms musste aus Zeitgründen leider entfallen. Stattdessen fuhr dann die Elegant Lady in den Sulina-Arm bis zum KM 0. Der Nullkilometer ist sehr unspektakulär, direkt dahinter wurde ein Seeschiff abgewrackt.

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Und da die Donau jedes Jahr jede Menge Geröll ins Schwarze Meer schiebt, befindet sich KM 0 heute auch mitten auf dem Land. Sulina selbst besteht nur aus einigen Häusern und Hütten 'right in the middle of nowhere'.

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Der untere Teil der Donau ist auch für Seeschiffe schiffbar, so hatten wir auf dem Weg zum Delta ein KüMo als Begleiter. Leider ist es Flusskreuzfahrtschiffen nicht mehr erlaubt, bis ins Schwarze Meer hineinzufahren. So drehte das Schiff kurz hinter Sulina und fuhr nach Tulcea zurück. Das Schwarze Meer konnte man so nur in etwa erahnen, sehen aber nicht.

In Tulcea wunderte ich mich dann über die doch relativ großen (und leeren) Hotels an der Uferpromenade (dazu später mehr).

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Abends konnte man an der Promenade noch seinen Abendspaziergang absolvieren. Getrübt wurde dies nur dadurch, dass hier an mehreren Stellen die Kanalisation (natürlich ungeklärt) in die Donau geleitet wurde...

Am nächsten Tag wurde dann noch ein Stück des Chilia-Armes befahren, es ging nach Izmail in der Ukraine. Izmail wurde mehrmals zerstört und wieder aufgebaut und ist dadurch eine recht junge Stadt. Der letzte Wiederaufbau erfolgte sehr weiträumig mit sehr vielen Grünflächen. In einer ehemaligen Moschee findet man ein großes Diorama über eine der Zerstörungen von Izmail.

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Dann ging es aber auch schon wieder zurück flussaufwärts.

Fortsetzung folgt...
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Re: Reisebericht 'Donau total' Aug./Sept. 2011

Beitrag von goll1 »

Weiter ging es donauaufwärts nach Ruse (Bulgarien). Zwischen Ruse und Girgiu (Rumänien) gibt es die 'Brücke der Freundschaft' (Doppelbrücke für Eisenbahn und Straßenverkehr). Diese ist (immer noch) die einzige Brücke über die Donau zwischen den beiden Staaten. Obwohl beide Länder ja sozialistische Bruderländer waren, wurde die Grenze doch bis vor kurzem noch streng bewacht.

Ruse ist ja auch der Heimathafen der Elegant Lady (und der Reederei) und ein großer Teil der Besatzung stammt von dort. So war bei der Crew natürlich die Freude groß, dass man in ein paar Stunden Heimaturlaub endlich mal wieder die eigene Familie sehen konnte. Zudem wurde hier in großem Umfang Proviant gebunkert und viele Besatzungsmitglieder (Urlaubsvertretungen?) wurden ausgetauscht. Ruse selbst ist nichtunbedingt besonders sehenswert, es gibt eine Fussgängerzone mit einigen alten Gebäuden. Schaut man jedoch in die Seitenstraßen, sieht es eher düster aus.

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Am Abend war wieder Abfahrt und wir wurden vorgewarnt: aufgrund des extrem niedrigen Wasserstandes (es hat auf dem Balkan wohl monatelang nicht stärker geregnet) könnte das Schiff in der Nacht Grundberührung haben. Der Kapitän würde sich dann eine andere Fahrrinne suchen. Wie Mitreisende berichteten, ist das Schiff in der Nacht auch mehrmals aufgelaufen. Ich habe jedoch geschlafen und davon nichts gemerkt. Morgens wurde dann mitgeteilt, dass unser Schiff das letzte gewesen sein, was gerade noch so 'durchgerutscht' sei. Die Donau wurde wegen Niedrigwasser für den Schiffsverkehr in diesem Streckenabschnitt gesperrt. Uff, Glück gehabt!

Was passiert dann mit all den anderen Kreuzfahrtschiffen, die auf Tour ins Donaudelta sind? Nun, diese liegen oberhalb der Strecke fest und müssen wieder umkehren. Als Ersatz bietet man den Passagieren die Tour nach Bukarest und ins Donaudelta per Bus und Hotelübernachtung an. Jetzt weiss ich auch, warum es in Tulcea und Ruse so große Hotels am Wasser gibt... Allerdings nehmen anscheinend nur wenige Passagiere diesen 'Schiffsersatzverkehr' in Anspruch. Ich würde dies auch nicht, nachdem ich die dortigen Strassenverhältnisse und Temperaturen kennen gelernt habe. Dann lieber auf dem Schiff bleiben.

Die nächste Station war dann Vidin. Zwischen Vidin und Calafat ist die zweite Donaubrücke (wohl ein EU-Projekt) zwischen Bulgarien und Rumänien im Bau, das dauert bis zur Einweihung aber noch 1.-2 Jahre. Vidin dient als Ausgangspunkt für den Ausflug nach Belogradcik, wo die Felsenfestung sehenswert ist.

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In Vidin selbst gibt es eine recht ansehliche Donau-Promenade, wo man bis zur Festung Baba Vidin (15 min.) laufen kann.

Am nächsten Morgen war dann auch wieder das eiserne Tor erreicht. Ausserplanmäßig wurde dort für 3 Std. ein Stopp in Donji Milanovac (Serbien) eingelegt. Das alte Dorf ist durch den Staudamm Derdap I in den Fluten versunken und wurde etwas höher am Donauufer wieder aufgebaut. Oberhalb des Ortes befindet sich eine große Hotelanlage, die aber anscheinend nur wenig belegt war.

Direkt an der Anlegestelle verkauften fliegende Händler handgearbeitete Textilien. Auf jeden Fall waren hier die Preise günstiger, als wenn man später in Budapest so etwas kaufen würde. Ansonsten war das Dorf recht 'verschlafen'.

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Interessant fand ich ein Schild (in der Mitte links) am Eingang einer Behörde (es handelt sich wahrscheinlich um die Finanzbehörde):

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Eintritt mit Schusswaffen untersagt.... Zum Schluss noch ein Panoramabild des Beckens von Donji Milanovac:

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Wie man sieht, ist die Donau auch auf der Kataraktenstrecke nicht durchgehend eng, sondern weitet sich immer wieder zu Becken auf.

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Re: Reisebericht 'Donau total' Aug./Sept. 2011

Beitrag von goll1 »

Nächster Halt war dann Vukovar. Was mir im Balkan auch aufgefallen ist, sind die Anlegepunkte. Oft sind dies nicht nur einfache Steiger wie an Rhein und Mosel, sondern umgebaute Kähne oder Pontons, auf denen noch ein Restaurant, einen Andenkenladen, Hafenmeisterei und Polizei untergebracht sind.

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Vukovar dient als Stopp für den Ausflug nach Osijek. Was mir aber erst dort bewusst wurde: vor einigen Jahren tobte dort noch mitten in Europa ein heftiger Krieg, die 'Schlacht um Vukovar'. Die Stadt selbst wurde von den Serben in Grund und Boden geschossen, es gab über tausend Tote. Den Wasserturm mit den ganzen Einschusslöchern hat man so stehen gelassen. Die Kirche des Franziskanerklosters ist zwar (aussen) schon wieder renoviert, nach dem Beschuss standen da nur noch die Aussenmauern und der obere Teil des Turmes war auch weggeschossen. Innen sind noch immer ein Teil der Schäden zu sehen. Ebenso Tafeln, auf denen man vermerkt, wieviele Einschusslöcher die serbischen Aggressoren in den Altarbildern hinterlassen haben. Da wird es wohl noch viele Jahren lang Hass auf beiden Seiten geben, die Wunden sind noch zu frisch und tief.

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Auf der Weiterfahrt donauabwärts waren dann auch einige Frachtschiffe, wie dieser Schubverband, zu sehen.

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Am Abend erfolgte dann an der Zollstation in Mohacs (Ungarn) die 'offizielle' Grenzkontrolle zur Einreise in die EU. Es war 21:00 Uhr, und alle Passagiere mussten zur Gesichtskontrolle an der Rezeption bei der Grenzpolizei anrücken. Dabei wurden die Bilder in den Pässen mit den Personen verglichen. (nebenbei bemerkt: hätte man illegale Einwanderer einschmuggeln wollen, so wäre dies in den Kleiderschränken der Kabinen möglich gewesen, die Kabinen wurden nämlich nicht durchsucht.) Der Sinn dieser Kontrollen erschloss sich mir nicht ganz. Wie mir jemand aus der Crew mitteilte, haben die Grenzer diese Aktion auch schon mal um 2:00 Uhr nachts mit allen Passagieren durchgezogen....

Den ganzen nächsten Tag lag die Elegant Lady dann in Budapest, dem einzigsten Ziel, welches zweimal auf dieser Reise angefahren wurde. Dabei lag unser Schiff neben der Rousse Prestige, die ebenfalls unter der Flagge von Dunav-Tours fährt. Hier gab es dann ein großes Hallo zwischen den Crews beider Schiffe, denn man kennt sich natürlich.

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Da auch diesmal am selben Steiger angelegt wurde, war es nur ein kurzes Stück zur Fussgängerzone. An einem Ende der Fussgängerzone befindet sich die Markthalle. Ein riesiger Touristenmagnet, aber hier wurde tatsächlich nicht nur Nippes, sondern auch Lebensmittel (Fleisch, Wurst, Gemüse, Obst) verkauft.

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In der Fussgängerzone findet man noch viele schöne Häuser, auch älteren Datums.

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Daneben ist aber auch (fast) alles an Banken und Handelsketten vertreten, was man auch aus deutschen Fussgängerzonen so gemeinhin kennt. Die Globalisierung hat also auch hier schon voll Einzug gehalten.

Empfehlen kann ich auch noch einen Besuch der Stephansbasilika.

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Bei Stadtrundfahrten wird in der Regel in Pest ja nur der Heldenplatz angefahren, dazu dann noch in Buda der Burgberg mit Fischerbastei und Matthiaskirche. Die Stephansbasilika ist da oft nicht im Programm enthalten.

Abends hiess es dann endgültig Abschied nehmen von Budapest. Der Kapitän legte extra noch einmal den 'Rückwärtsgang' ein, damit man das gesamte Stadtpanorama von Budapest mit seiner üppigen Beleuchtung in voller Länge geniessen konnte.

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goll1
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Re: Reisebericht 'Donau total' Aug./Sept. 2011

Beitrag von goll1 »

Das nächste Ziel war Bratislava. Hier verläuft die Donau teilweise in einem Kanal (bei Gabcikovo) oberhalb des Geländeniveaus, Kapitän und Steuermann sehen hier also auf das Umland hinab.

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Bratislava gehört zu den kleinsten Hauptstädten in Europa, deshalb ist die Innenstadt/Altstadt mit der Fußgängerzone auch von der Donau in nur wenigen Minuten zu Fuß zu erreichen. Eine Stadtrundfahrt muss man nicht unbedingt buchen, es ist (fast) alles fussläufig gut zu erreichen. 3 Wahrzeichen der Stadt habe ich mal herausgegriffen: die 'Brücke des Slowakischen Volksaufstandes' mit dem in den Pfeiler integrierten Aussichtsrestaurant, die Burg mit ihren 4 Türmen (direkt dahinter liegt als moderner Bau das slowakische Parlament), und den 'Kanalarbeiter'.

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Unsere Reise neigt sich langsam dem Ende zu, das letzte Tagesziel war die Wachau. Morgens lag das Schiff in Dürnstein für die Wachau-Rundfahrt. Die Kreuzfahrtschiffe liegen hier etwa 10 min. donauabwärts ausserhalb des kleinen Ortes. Sehr bekannt ist ja das Panorama mit dem früheren Augustiner-Chorherrenstift.

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Von der dortigen Terrasse hat man einen schönen Blick auf die Donau mit den Ausflugsschiffen.

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Der Ortskern von Dürnstein selbst besteht nur aus wenigen Straßen. Glücklicherweise war es morgens noch nicht so überfüllt, ansonsten scheint der Ort vorwiegend vom Tourismus zu leben und später kann es recht 'überlaufen' werden.

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Am Nachmittag dann der letzte Halt in Melk. Der Ausflug zum Stift wurde nicht mehr angeboten, da wohl schon zu viele Passagiere auf 'Abreise' programmiert waren. Zudem wäre die Stiftsbesichtigung in nur 2 Std. ziemlich zur 'Hetze' ausgeartet. Der Steiger in Melk liegt relativ weit vom Ort entfernt, es sind schon gut 15-20 min. zu laufen, bis man die Fussgängerzone erreicht.

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Am nächsten Morgen war dann die sehr schöne Fahrt in Passau-Lindau beendet. Abschliessen möchte ich mit einem Bild der MS Elegant Lady, die uns die ganze Reise über so vertraut geworden ist.

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Ein kleines Fazit von meiner Seite: eine sehr schöne Reise, bei der wir auch sehr viel Glück hatten (Wetter, Schiffbarkeit der Donau, nette Crew). Insgesamt würde ich die 16 Tage für eine Flusskreuzfahrt auch nicht überschreiten wollen. Man merkte gegen Ende doch, dass sich bei vielen Passagieren eine gewisse 'Ermüdung' ergab. So viele neue Eindrücke und Ausflüge dichtgedrängt in sehr kurzer Zeit führen vielleicht dann doch auch zu einer gewissen 'Reizüberflutung'.

Und: ich verstehe, warum gerade die 'Rennstrecke' zwischen Passau und Budapest so oft befahren wird. Hier versammeln sich tatsächlich die 'touristischen Highlights'. Unterhalb von Budapest würde ich nur noch die Kataraktenstrecke (Eisernes Tor) als absolutes 'Must see' in touristischem Sinne einstufen. Warum also kein Angebot Passau - Eisernes Tor und zurück? Halt, gerade vor ein paar Tagen habe ich ja gesehen, dass es tatsächlich Reiseveranstalter gibt, die so etwas auch anbieten.

Danke für's Lesen, auch wenn es etwas länger geworden ist, als ursprünglich geplant. Aber es war halt tatsächlich diese große Fülle von neuen Eindrücken und so soll es ja auch sein.

Ende
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Raoul Fiebig
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Re: Reisebericht 'Donau total' Aug./Sept. 2011

Beitrag von Raoul Fiebig »

Hallo Karl-Josef,

herzlichen Dank für den ausführlichen Reisebericht! :thumb:
Astrid
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Re: Reisebericht 'Donau total' Aug./Sept. 2011

Beitrag von Astrid »

Hallo Karl-Josef,

ein wirklich sehr informativer und anschaulicher Bericht! :thumb:
Vielen Dank dafür!
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