ich bin ganz frisch hier im Forum und hoffe, dass ein Artikel dieser Art gewollt ist und auch der Forenbereich passt.
Ich war mit meiner Freundin in den letzten zwei Jahren 2 Mal in der Karibik unterwegs. Im Juni 2024 waren wir 7 Nächte ab Orlando auf der MSC Seashore und vor einer Woche dann 7 Nächte ab Miami auf der Seascape. Wir sind ein junges Pärchen und waren auf der Suche nach einem schönen Urlaub. Da meine Freundin aufgrund einer Körperbehinderung auf einen Rollstuhl angewiesen ist, sind unsere Urlaub meist von sehr vielen Hindernissen betroffen und bedürfen einer großen Vorplanung. Wir haben uns dann letztes Jahr das erste mal getraut, trotz Rollstuhl eine so große Reise anzutreten. Es finden sich im Internet leider nur vereinzelt Berichte und Informationen zum Thema Rollstuhl und Kreuzfahrt. Daher wollten wir hier einen kleinen Bericht schreiben, sodass wir hoffentlich auch andere Betroffene ermutigen können, eine solche Reise mit Rollstuhl durchzuführen.
Buchung
Bei MSC kann man direkt auf der Homepage nach barrierefreien Kabinen suchen, was natürlich die Planung enorm erleichtert und wahrscheinlich sogar für uns der ausschlaggebende Punkt war, mit MSC zu reisen. Wir hatten ansonsten noch bei AIDA, TUI und Royal Carribean geschaut. Royal Carribean bietet auch direkt auf der Homepage die Buchung von barrierefreien Kabinen an, AIDA und TUI leider nicht. Hier ist eine Buchung nur über die Hotline möglich, was mit den Wartezeiten dort sehr anstrengend ist. Zudem kann es natürlich passieren, dass man sich auf der Homepage eine passende schöne Kreuzfahrt aussucht und dann in der Hotline erfährt, dass die barrierefreien Kabinen schon vergriffen sind und man wieder von vorne zu suchen beginnen kann. Bei MSC sehe ich das ja direkt auf der Homepage. Wir hatten beide Reisen ca. 6 Monate vorher gebucht und es waren in sämtlichen Kategorien inklusive Yachtclub noch barrierefreie Kabinen verfügbar, wobei zu erwähnen ist, dass die MSC Sea-XY Schiffe wirklich sehr viele barrierefreie Kabinen haben. Wir haben uns bei beiden Reisen für eine Balkonkabine entschieden.
Im Anschluss an die Buchung soll man ein "Special Needs"-Formular ausfüllen, wo man vorhandene körperliche Einschränkungen und an Bord benötigte Hilfsmittel (z.B. Maße des Rollstuhls) angeben muss. Dieses Formular schickt man dann per Mail an MSC, um dann garantiert die barrierefreie Kabine zu bekommen.
Anreise
Wir sind mit United und Lufthansa geflogen, beide male wurde der Rollstuhlbedarf vorher telefonisch angemeldet und es lief alles reibungslos. Die Mitarbeiter waren immer sehr nett und hilfsbereit. Den Rollstuhl konnten wir immer direkt bis zur Flugzeugtür behalten und als wir ausgestiegen sind stand er direkt wieder am Flieger. Und manchmal hat so ein Rollstuhl auch seine Vorteile, ich glaube ich bin noch nie in unter 2 Minuten durch die Immigration-Halle in den Staaten gekommen, hier achtet man wirklich sehr auf beeinträchtigte Personen und bemüht sich die Reise trotz den Umständen so angenehmen wie möglich zu machen.
Bei der Anreise vom Airport zum Hotel und zum Hafen ist natürlich zu beachten, dass normale Taxen/Uber bei 2 Koffern plus Handgepäck plus Rollstuhl nicht ausreichen und man hier mit Mehrkosten für größere Fahrzeuge rechnen muss.
EInschiffung
Bei der Einschiffung war alles wie am Flughafen. Personal ist sehr nett und hilft wo immer es nötig ist und versucht priorisiert zu behandeln. Uns persönlich ist das meistens immer etwas unangenehm, wenn wir an der Schlange vorbeigelassen wird, aber sie meinen es ja gut. Am Rande bemerkt sei noch, dass ich das relativ neu wirkende Terminal in Miami wirklich super durchdacht und optisch sehr ansprechend wahrgenommen habe. Im Vergleich zu meinen ersten Kreuzfahrten vor ca. 15 Jahren hat sich da wirklich einiges getan.
Kabine, Kompensation und Bordguthaben
Wer sich eine barrierefreie Kabine mal anschauen will, kann sich natürlich am besten ein youtube-Video anschauen mit einer room-tour. Ich war beim ersten mal wirklich überrumpelt wie riesig die barrierefreien Kabinen sind, nachdem ich ja bevor ich meine Freundin kennengelernt habe immer auf normalen Kabinen unterwegs war, die bekanntlich zumindest im niedrigen und mittleren Preissegment doch sehr auf Platzoptimierung ausgelegt sind. Meine Freundin hatte demnach nirgens Probleme mit dem Rollstuhl gut zu "manövrieren". Auch das Badezimmer war komplett ebenerdig und großräumig mit unterfahrbarem Waschbecken. Negativ ist wenn überhaupt die sehr große und dadurch aber leider sehr schwere Kabinentür, bei der sich meine Freundin alleine sehr schwer getan hat.
Auch der Balkon ist sehr cool: Die Türöffnung erfolgt automatisch per Knopfdruck. Nachdem die Schiebetür zur Seite gefahren ist, senkt sich eine kleine Klappe, die den Spalt zwischen Kabine und Balkon ausfüllt, sodass auch dieser komplett ebenerdig ist.
Bei unserer gerade beendeten Reise war leider die Elektrik defekt, sodass sich diese Klappe nicht gesenkt hatte. Somit war der Balkon für meine Freundin alleine nicht nutzbar, ich musste ihr dafür dann immer helfen. Der Fehler konnte während der Reise mangels Ersatzteilen leider nicht behoben werden und kostete mich einige Besuche an der Rezeoption und beim Guest Relations Manager. Der zeigte sich erst nicht einsichtig, im Laufe der Reise bot er dann aber eine sehr fair Kompensation an. Meine Freundin bekam eine SPA Behandlung im Wert um 250 Dollar und zusätzlich bekamen wir 250 Dollar auf das Bordguthaben. Tipp am Rande: Wir hatten bei der Buchung im Rahmen eines Angebots schon Bordguthaben bekommen, sodass wir nun viel zu viel hatten und nicht sinnlos in den Shops ausgeben wollten. Daher haben wir mal probiert im Casino auf einen Automaten was aufzuladen, einmal zu drücken und dann auf Cashout zu drücken. Anschließend konnten wir an der Kasse unser Bordguthaben quasi bar auszahlen lassen und können es nun sinnvoll für den nächsten USA-Urlaub nutzen.
Das Schiff
Das Schiff ist erfreulicherweise so gut wie komplett barrierefrei. Es gibt einen kleinen Bereich des Sonnendecks auf Deck 19, der nur über Treppen oder aber über den Aufzug im Yachtclub erreicht werden kann. Hier ist auch ein sehr schöner Whirlpool, wo wir gerne mal zusammen reingegangen wären. Ich habe an der Rezeption gefragt, ob die Cruise Card meiner Freundin für diesen Bereichd es Yachtclubs freigegeben werden kann, damit sie eine Chance hat auf diesen öffentlichen Bereich zu gelangen. Das wurde an der Rezeption leider abgelehnt. Ansonsten ist es manchmal in den Bars und Restaurants zwischen den Tischen und Stühlen etwas eng, aber nichts was wir nicht sowieso so von der Landwelt gewohnt sind. Das Theater hat einen gesonderten barrierefreien Eingang und reservierte Plätze in der ersten Reihe.
Die Besatzung war immer sehr nett und hilfsbereit.
Die Landausflüge
Direkt über MSC gibt es an vielen, aber nicht allen Destinationen, einen barrierefreien und rollstuhlgeeigneten Landausflug zu buchen. Wir haben jedoch keinen dieser Ausfflüge gebucht, da diese äußerst langweilig sind. Meistens einfach nur ein Transfer zu einer Einkaufsmöglichkeit und nichts, was junge Leute wie uns begeistert hat. Ich verstehe aber natürlich da die Reederei, ich denke die Ausflüge sollen eben vorallem ältere Menschen im Rollstuhl ansprechen, die einfach kaum mobil sind, während meine Freundin und ich im jungen alter mit ihr als geübter Rollstuhlfahrerin zusammen im Team mit mir ganz andere Hindernisse überwinden können. Daher haben wir und entschieden immer auf eigene Faust etwas zu buchen. Informationen zur Barrierefreiheit von Attraktionen und Touren haben wir sehr selten direkt gefunden. Daher ist es wichitg, sich frühzeitig um die Ausflüge zu kümmern und den Veranstaltern detailliert zu schreiben, was man kann (z.B. 2-3 Treppenstufen) und was man nicht kann (z.B. längere Treppen). Meistens haben wir dann faire Antworten bekommen und dann gebucht oder auch nicht gebucht. Im folgenden möchte ich nun auf unsere Aktivitäten bei beiden Reisen eingehen:
- Ocean Kay (Privatinsel von MSC)
Hier ist so gut wie alles, außer der Leuchtturm, barrierefrei. Für den Strand gibt es sogar spezielle Strandrollstühle. Wir haben einmal zusammen eine Kanutour gemacht. Bei der ersten Reise waren wir sogar zwei Tage und somit mit Übernachtung hier und fanden es mega toll den Sonennuntergang und die nächtliche Stimmung am Strand zu genießen. Auch die nächtliche Lichtshow am Leuchtturm war sehenswert
- Costa Maya
Wir haben über Getyourguide eine private Tour zu den Maya Ruinen gebucht. Dort war das Gelände teils sehr anspruchsvoll und manche Bereiche konnte ich nur alleine anschauen, da es über sehr hohe Stufen nach oben ging.
- Cozumel
Wir haben wieder eine private Tour gebucht zu den Cenoten, einer Art Wasserhöhle. Der Weg dorthin war nur über eine lange Treppe erreichbar, wo ich meine Freundin tragen müsste. War machbar, aber die Cenote war es nicht wert und wir waren mit diesem Ausflug eher nicht so happy.
- Nassau
Wir sind mit einem Taxi in den Wasserpark des Atlantis Hotels. Dort war bis auf die Rutschen alles barrierefrei und die zwischenzeitlichen Schauer konnten wir gut im imposanten Aquarium im Hotel verbringen.
- Falmouth (Jamaica)
Wir haben uns spontan dazu entschieden dort von Bord zu gehen und sind mit einem Taxi zu den Martha Bae Rivers gefahren und haben dort eine Floßfahrt auf diesem wirklich idyllischem Stück gemacht. Der Rollstuhl konnte nicht mit aufs Floß. Nachdem wir auf dem Floß waren hat unser Taxifahrer den Rollstuhl ins Taxi geladen und uns dann mit Rollstuhl am Ende der Floßfahrt flussabwärts wieder abgeholt. Zu erwähnen sind vielleicht noch die hohen Taxipreise dort, da man direkt die Hin- und Rückfahrt bezahlt und der Taxifahrer dann während der Aktivität bei einem bleibt. Das war auch bei einem meiner letzten Trips nach Jamaica so, als wir einen Strand besuchten. Dieses mal haben wir für die 15 minütige Taxifahrt 100 Dollar bezahlt, wobei man fairerweise sagen muss, dass der Taxifahrer mit uns durch das Warten während wir auf dem Fluss waren ca. 2,5 Stunden mit uns verbracht hat.
- George Town (Cayman Island) mit Tender
Vor diesem Halt hatten wir großen Respekt, da es mit dem Tender auf's Land ging. Wir hatten sehr viel vorher recherchiert und immer widersprüchliche Informationen gefunden. Auch die Antwort per Mail vom Kundenservice war sehr schwammig. Am Abend vorher hatten wir auf dem Zimmer ein Priority Tender Ticket (was normalerweise nur Yachtclub und Aurea Gäste bekommen), sodass wir uns nicht anstellen mussten und direkt zum Ausgang gebracht wurden. In Gerge Town wurden Boote vom Hafen und nicht die Rettungsboote vom Schiff benutzt. Diese Boote sind doppelstöckig und der obere Stock war direkt auf Höhe von Deck 4, wo der Ausstieg stattfand. Somit wurde eine Brücke von der MSC auf das Tenderboot geworfen und wir konnten ebenerdig auf das Oberdeck des Tenders. Auch am Hafen findet das Ein- und Aussteigen über das Oberdeck statt. Hat also alles super reibungslos geklappt und wir waren sehr erleichtert.
An Land sind wir mit einem sehr günstigen Bus zum Dolphin Discovery Center gefahren. Immer wenn wir in einem Kleinbus oder Sammeltaxi unterwegs waren, waren die Mitreisenden enorm hilfsbereit und haben meiner Freundin beim Einstieg geholfen und direkt angeboten den Rollstuhl auf den Schoß zu nehmen, wenn der Kofferraum wie fast immer zu klein für das Gerät war. Von dieser Hilfsbereitschaft der meist US-Amerikaner waren wir sehr überrascht und begeistert, da wir das aus Europa/DE ganz anders kennen. Im Dolphin Center angekommen wurde uns mitgeteilt, dass meine Freundin einige der gebuchten Aktivitäten nicht wahrnehmen darf. Sie konnte lediglich die im flachen Wasser durchgeführten Interatkionen mit den Delfinen durchführen, die Schwimmaktivitäten musste ich dann alleine machen. Insgesamt ist man hier sehr gut auf uns eingegangen und wir fühlten uns sehr wohl. Die Tiere sind soooo toll und für uns war dieser Ausflug eines unserer Highlights, auch wenn die tierschutzrechtlichen Bedenken natürlich nicht von der Hand zu weißen sind
In unseren Augen sind Kreuzfahren sehr gut für Rollstuhlnutzer geeignet und auch die Anreise mit dem Flugzeug ist total harmlos. Wir möchten mit diesem Beitrag einige Unsicherheiten beseitigen und Mut machen es zu probieren. Ihr werdet es nicht bereuen. Die Ausflüge erfordern, sofern man dort etwas größeres Unternehmen möchte, einiges an Planung, aber es spricht ja auch nichts dagegen nur mal kurz im Hafen ein bisschen zu bummeln oder gar auf dem Schiff zu bleiben. Bei Fragen gerne hier im Beitrag melden oder auch gerne per PN.