100 Verletzte auf „Spirit of Discovery“ in schwerem Sturm

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Frawi
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100 Verletzte auf „Spirit of Discovery“ in schwerem Sturm

Beitrag von Frawi »

Vor ein paar Tagen geisterte die Horrormeldung durch die Medien, dass es 100 Verletzte auf der „Spirit of Discovery“ gab, als diese in einen schweren Sturm geriet. In diesen Beiträgen (die wahrscheinlich alle von irgendeinem ersten abgeschrieben wurden) war immer wieder die Rede davon, es wäre ein "Antriebssicherheitssystem" aktiviert worden, wodurch das Schiff "ruckartig nach links" drehte und dann auch noch "plötzlich" zum Stehen kam, wodurch 100 Passagiere verletzt wurden.

Hat jemand eine Idee, was das für ein Antriebssicherheitssystem sein könnte und wozu das gut sein soll? Für mich lesen sich diese Meldungen wie schwerstes Seemannsgarn. Jeder, der nur ansatzweise im Physikunterricht aufgepasst hat, weiß, dass Kreuzfahrtschiffe aufgrund ihrer immensen Masse niemals mithilfe ihrer Antirebe "ruckartige" Bewegungen machen oder gar plötzlich zum Stehen kommen können (wenn man mal die Variante außer Acht lässt, dass das Schiff irgendwo gegen fährt).

Aber vielleicht hat jemand von Euch mehr / bessere Infos?

Gruß Frank
Hareid
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Re: 100 Verletzte auf „Spirit of Discovery“ in schwerem Sturm

Beitrag von Hareid »

Im großen Ami Forum gab es auch ein paar Berichte von Bord, da schrieben einige, dass auch Stunden vor und nach der Aktivierung des Antriebssicherheitssystem schon Verletzte gab und das Schiff extrem geschaukelt hat. Für viele war es auch nicht nachvollziehbar, warum man sich bei der Wetterlage entschlossen hat durch die Biscaya zu fahren. Zu dem Zeitpunkt herrschten in dem Gebiet bis zu 12m hohe Wellen, siehe hier -> https://www.ventusky.com/?p=45.7;-7.2;4 ... 31104/1800
Expifan
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Re: 100 Verletzte auf „Spirit of Discovery“ in schwerem Sturm

Beitrag von Expifan »

Laut Medienberichten war das Schiff von La Coruna Richtung Southampton unterwegs. Es fuhr also nördlichen Kurs bei starker Dünung aus Westen. Die Wellen prallten demnach voll gegen die Backbordseite. Ich kann mir (wie Frank schreibt) auch nicht vorstellen, dass ein Antriebssystem ruckartige Bewegungen bei einem großen Schiff auslösen kann. Vorstellbar ist, dass (durch eine Kursänderung??) Querschläger gegen den Rumpf gedrückt haben und so plötzliche Erschütterungen ins Schiff kamen.
Tom
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Re: 100 Verletzte auf „Spirit of Discovery“ in schwerem Sturm

Beitrag von Expifan »

In einem anderen Artikel ist zu lesen, dass das Schiff plötzlich nach links gesteuert wurde - also nach Westen. Möglicherweise hat man es "in den Wind" gedreht, um die Angriffsfläche zu verkleinern. Da nun plötzlich Wind und Welle von vorn kommen bekommt man eine spürbare bremsende Kraft vor den Bug. So lässt sich das plötzliche Abstoppen des Schiffes wohl erklären.
Die Augenzeugenberichte klingen gelinde ausgedrückt etwas "subjektiv" ;-)
Tom
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Raoul Fiebig
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Re: 100 Verletzte auf „Spirit of Discovery“ in schwerem Sturm

Beitrag von Raoul Fiebig »

Hallo allerseits,

es gab in der Vergangenheit Fälle von plötzlichem starken Rudereinschlag mit der Folge deutlicher Krängung. Die "Spirit of Discovery" hat allerdings Pod-Antriebe (Siemens eSiPod).

Natürlich können die auch hart in eine Richtung drehen. Das ist dann allerdings keine ruckartige Bewegung, sondern dann legt sich das Schiff in die Kurve und damit auf die Seite.
Frawi
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Re: 100 Verletzte auf „Spirit of Discovery“ in schwerem Sturm

Beitrag von Frawi »

Hallo zusammen,

ihr haltet als die in den Artikeln beschriebenen "ruckartigen" Richtungs- oder Geschwindigkeitsänderungen, die so stark sind, dass sie Passagiere dadurch verletzen könnten, für genauso unmöglich, wie ich. Also doch Seemannsgarn?
Und dieses mysteriöse "Antriebssicherheitssystem"? Was könnte das sein? Ich hatte ein wenig spekuliert, dass es sich ein automatisches System handeln könnte, das den Schiffskurs bei zu starkem Wellengang in Richtung der Wellen ändert, um ein zu starkes Rollen zu verhindern. Aber eigentlich halte ich so etwas für zu unwahrscheinlich (weil in meinen Augen zu gefährlich).

Gruß Frank
Expifan
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Re: 100 Verletzte auf „Spirit of Discovery“ in schwerem Sturm

Beitrag von Expifan »

Hallo Frank,
also Seemannsgarn würd ich das nicht nennen, denn wenn es Passagiere so wahrnehmen, sei es ihnen gestattet, ihr Empfinden zu äußern.

Rein physikalisch halte ich es für ausgeschlossen, mit einem eigenständigen Antriebssystem die riesige Massenträgheit eines großen Kreuzfahrtschiffes ruckartig zu überwinden. Das schafft nur eine noch größere Massenträgheit: Die gewaltige Energie der aufgepeitschten See.

Für Segelyachten kann ich mir sowas allerdings vorstellen: Wenn ein Wind- und Wellenmesser feststellt, dass bei eingeschlagenem Kurs eine gefährliche Kränkung des Bootes droht, könnte es automatisch den Kurs ändern und sich in den Wind drehen, während der Skipper beruhigt weiterschlafen kann.

Das sind so meine Überlegungen als Ingenieur. Die müssen nicht richtig sein :-)
Tom
Frawi
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Re: 100 Verletzte auf „Spirit of Discovery“ in schwerem Sturm

Beitrag von Frawi »

Hallo Tom,

keine Frage: Dass sich 100 Passagiere verletzt haben, wird ganz sicher kein Seemannsgarn sein.
Was ich meinte, ist, dass ein Zusammenhang zwischen dem angeblich "ruckartigem" Kurswechsel bzw. Stoppen des Schiffs und den Verletzungen der Passagiere vielleicht schwer herzustellen ist.
So ein automatisches Kursänderungssystem, um zu starkes Krängen des Schiffs zu vermeiden, ist technisch sicher möglich. Aber wenn dadurch ein Kurs gesetzt wird, der zu einer möglichen Kollision mit einem anderen Schiff oder dem Festland führt? Auf einem großen Schiff, bei dem immer eine mehrköpfige Brückenwache anwesend ist, halte ich so eine Automatik eigentlich für ausgeschlossen.
Bleibt also immer noch die Frage, was mit so einem "Antriebssicherheitssystem" gemeint sein könnte.

Gruß Frank
Expifan
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Re: 100 Verletzte auf „Spirit of Discovery“ in schwerem Sturm

Beitrag von Expifan »

Moin Frank,
was das genau ist hab ich nicht rausfinden können.
Noch ein Gedanke: Man liest ja gelegentlich bei Sportbooten von Brüchen der Ruderblätter bei starkem Wellengang. Ist es vorstellbar, dass die Blätter bei großen Schiffen Sensoren haben, die bei zu starker Stoßbelastung "auskuppeln" befehlen, um dann unten rumzuzappeln aber die Zerstörung des Ruderblatts oder des Azipods dadurch verhindern? Wenn ja, hätte das dann zur Folge, dass das Schiff relativ plötzlich einen anderen Kurs einschlägt. Das müsste aber natürlich die Brücke vorher "freigeben", sonst wärs fatal - da stimm ich Dir zu.
Tom
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