fneumeier hat geschrieben: ↑28.03.2021 10:46
St. Petersburg ist inzwischen ein schlechtes Beispiel, weil es da nun das kostenlose Online-Visum gibt, das deutlich leichter erhältlich ist, als ein normales Visum für Russland.
Na ja, Visum ist Visum. Ob dieses Geld kostet oder online zu erhalten ist, ist zunächst egal. Man brauchts es, um überhaupt um Einreise vor Ort bitten zu dürfen. Die letztendliche Entscheidung behält sich jeder Staat immer und in jedem Einzelfall bei der unmittelbaren Einreise vor.
Selbst Einreisekarten, die von manchen Staaten gefordert werden (zu meinen Kinderzeiten war das auch für Großbritannien notwendig), geforderte Online-Registrierungen oder gar "Visa bei Einreise" (z. B. Ägypten), stellen letztlich alle ein Visum dar, welches benötigt wird. Visafreiheit ist relativ selten auf der Welt, und hängt von vielen Faktoren ab. Da sind die Deutschen zugegenerweise in den vergangenen Jahrzehnten recht privilegiert gewesen, was sich nun aufgrund Corona wieder relativiert. Das muss aber nicht heißen, dass es für Deutsche (mittelfristig gesehen) unmöglich bleibt, irgendwo winzureisen. Der bürpkratische Aufwand (Einreisekarten, Anmeldung, Impf- oder Testnachweis) wird aber womöglich Jahrzehnte dauern, bis er vollkommen wieder verschwinden wird. Das wird die Reisefreiheit an sich jedoch nicht nachhaltig negativ beeinflussen.
Der andere Punkt ist natürlich in diesem konkreten Fall, dass andere (HL) es mit den Behörden durchaus absprechen können, dass die Paxe - abhängig von der Infektionslage - individuell an Land gehen können. Zwar war auch bei HL das Angebot an Ausflügen durchaus eingeschränkt, aber dann doch mehr als nur die Panoramafahrt über die Insel mit dem Bus.
Die Fähigkeiten von Hapag-Lloyd, Behörden Sonderregelungen abzutrotzen, habe ich immer schon bewundert; das ist die ganz hohe Kunst der Diplomatie und wirkt durch bis zum kleinsten Beamten am anderen Ende der Welt. Beispiel: Bei Einreise in Argentinien musste der arme Kerl vom Zoll seinen Job machen - aber hier nur nach Stichproben. Vier Koffer waren auf meinem Wagen. Welchen er davon als einzigen der ansonsten üblichen, hundertprozentigen Röntgenkontrolle unterzog, durfte ich aussuchen. Und dann schaute er auch bewusst nicht auf den Monitor... Dass ich im Grunde illegal einreiste, weil ich noch gar keinen bestätigten Rückflug hatte, fiel dabei natürlich auch nicht auf. Ähnliche Erlebnisse, bei denen teilweise die hoheitlichen Aufgaben an die Schiffsbesatzung übbertragen wurden (und dann im Sinne der Gäste umgesetzt wurden), habe ich auch in anderen Regionen kennenlernen dürfen. In dieser Beziehung werden Hapag-Gäste überall auf der Welt weitestgehend auf Händen getragen.
Aber wie Du sagst, nicko kommt aus dem Flussbereich und so agieren sie leider auch bei den Hochseereisen.
Das finde ich an sich gar nicht mal so schlimm - man weiß ja auch, was man bucht. Die (bewusste oder unbewusste) Herangehensweise von der Flussschifffahrt finde ich an sich spannend. Schiffsgröße und (zumindest das ursprünglich eingplante) Klientel sind weitgehend identisch. Und wenn dann der Löwenanteil der Gäste zu Beginn aus Stammkunden (Fluss) gewonnen werden sollte, wäre es für diese Gäste gar keine Umstellung. Alle Welt (in der Branche) redet davon, Hochsee-Kunden für den Fluss zu begeistern. Hier ist die Prämisse anderherum. Den Fluss-Stammgästen muss ein möglichst ähnliches Erlebnis auf dem Meer geboten werden, damit sie dieses 'Wagnis' eingehen. Und dazu gehört, dass der Fluss-Gast es gewohnt ist, 'seinen' Ausflug zu machen - und wenn es zwei gibt, dass diese zeitlich so liegen, dass er beide erleben kann - idealerweise durch ein Mittagessen an Bord unterbrochen. Zeitgleiche Angebote zur Auswahl würden da manchen überfordern. Viele wollen 'das volle Programm', und das ist eben nicht mehr möglich, wenn es mehrere Dinge zeitgleich zur Auswahl gibt, unter denen man selbst selektieren muss. Die Quote der Ausflugspaket-Bucher bei Flussreisen - ich schätze die mal auf ca. 70 - 80 %, bei (Bus-)Gruppenreisen eher 100 % - spricht da Bände.
Es gibt ja schließlich auch reichlich Fluss-Stammgäste, die sich bisher nicht auf das Meer getraut haben. (Liebstes Argument: Es könnte ja schaukeln...) Insgesamt wird es dafür sorgen, dass etliche Produkt-Unterschiede zwischen Fluss und Meer mit der Zeit verschwinden werden. Was den an Bord von Flussschiffen fast immer obligatorischen Hammondorgelspieler angeht, würde ich das auch sehr begrüßen.
Letztlich wird die Auswahl der infrage kommenden Reiseangebote dadurch für beide Kundengruppen steigen, weil man die andere Reiseform nicht mehr grundsätzlich ausschließt. Corona tut da seinen guten Teil dazu. Viele Hochsee-Gäste haben im vergangenen Jahr erstmals, teils aus Verzweiflung (Hauptsache, mal weg zu kommen), eine Flussreise gebucht und gelernt, dass diese auch ihre sehr schönen Seiten hat. Mehr als die Hälfte meiner Flussbuchungen für 2021 sind nun Wiederholer, die letztes Jahr statt Hochsee den Fluss gebucht hatten. (Hier spielt die Unsicherheit der Hochsee-Durchführbarkeit allerdings auch eine Rolle.) Wenn Nicko durch Übertragung des Fluss-Konzeptes auf die Hochsee auch den umgekehrten Weg schafft und Flusskunden für das Meer begeistert, gewinnt letztlich die gesamte Branche.
Überhaupt entwickelt sich Nicko derzeit zu so etwas wie einem Innovationstreiber der deutschen Anbieter. Letztes Jahr war Nicko der erste Veranstalter, der den Neustart geschafft hat - auf Anhieb mit stimmigem Hygienekonzept. Die Neubauten Nicko Vision und Nicko Spirit entsprechen modernstem Konzept. Gleichzeitig werden aber auch Nischen, wie ganz kleine Schiffe auf Kanälen, ausgebaut. Und der Sprung zur See mit kleinem Schiff (zu für diese Schiffsgröße sehr attraktiven Preisen), gefolgt nun aus der Situation der Pleite von CMV heraus von der Vasco da Gama, deren ca. 630 Kabinen auch Familien unterbringen können (mit Kinderbetreuung an Bord), aber gleichzeitig die Passagierzahl dennoch auf 1.000 begrenzt wird... Da werden von Nicko derzeit alle möglichen Konzepte gemixt, getauscht und vermischt, man geht mutig mit Neuerungen an den Markt, leistet sich (fast als einziger Veranstalter) einen Druck recht aufwändiger Kataloge. Ich sehe da viel Gutes auf den Markt kommen. Und wenn man bedenkt, dass Nicko zuvor eher das älteste und gebrechlichste Klientel zugeordnet wurde, für die es schon lange Zeit die Haustürabholung optional zubuchbar gibt, geht es hier im Schnellzug in eine neue Zeit. Ich erwarte von viel Neues und Gutes von Nicko in der Zukunft.
Die Kunst wird darin bestehen, bisherige Stammkunden zu halten - Potential zur Gewinnung von Neukunden hat Nicko allemal. Im vergangenen Jahr kamen selbst eingefleische Aida- und Tui-Fahrer, denen ich Nicko empfohlen hatte, begeistert zurück und wollten gleich neu buchen. Und das, obwohl sie mit ihrer Donau-Reise das Pech hatten, dass Häfen gewechselt wurden und sie aufgrund der RKI-Einschätzung trotzdem nach der Reise geradewegs in die Quarantäne fahren mussten.
Gruß
Diddn