Re: Coronavirus: Auswirkungen auf Kreuzfahrten
Verfasst: 27.03.2021 00:26
Da hast Du meine Intention missverstanden. Ich bin hundertprozentig FÜR den Handelsvertreterstatus. Denn nur dieser garantiert gleiche Preise auf allen Kanälen, regelt die Bezahlung des Handelsvertreters (gemäß Handelsrecht bei Zustandekommen/tatsächlicher Ausführung des Geschäfts) samt Zahlungsfristen und lässt diesem die Freiheit, unabhängig zu verschiedenen Handelsherren zu beraten. Dass es auch Reisebüros gibt, die bewusst nicht auf das passendste Angebot, sondern auf das mit der einträglichsten Provision steuern, weiß ich. Das sind aber nur relativ wenige im Kreuzfahrtbereich. Eher wird auf wenige Volumen-Veranstalter gesteuert, weil man sich, wenn das Reisebüro nicht spezialisiert ist, nur mit den Angeboten einiger weniger Anbieter auskennt. Aber das steht auf einem anderen Blatt.micm_ hat geschrieben: 26.03.2021 23:18 Ich bin halt immer ein wenig irritiert wenn man die Regelungen die einem in guten Zeiten gefallen haben auf einmal in schlechten Zeiten verteufelt.
Dass man als Handelsvertreter auch mal für umsonst arbeitet, ist ebenso selbstverständlich. Denn oft genug wird aufwändig beraten, aber ein wirklich passendes Angebot gibt es nicht oder ist bereits ausgebucht. Das gehört zum Alltag. Entscheidend ist die Zufriedenheit des Kunden und ich bin überzeugt, dass diese größer ist auch wenn man mal eher nichts anbietet, als dass man enen Anzug verkauft, bei dem nur die Hose, aber nicht das Sakko passt.
Die Arbeit des Handelsvertreters ist jedoch mit dem Abschluss des Geschäfts getan. Die Vergütung bezieht sich genau darauf, und nicht auf weitere Tätigkeiten. Natürlich lässt man, auch nicht zu Corona-Zeiten, wenn sich diese Fälle häufen oder gar zur Regel werden, einen Kunden nicht im Regen stehen. Führt Neu-, Um- oder Stornoberatung durch (ohne Vergütung dafür und im Wissen, dass auch die Vergütung für die Vermittlung des Geschäfts futsch ist). Leitet Kunden(stornierungs)wünsche weiter und verfolgt im Idealfall die Sache, bis sie mit einer (nun meist) Rückzahlung der bereits geleisteten Kundenzahlung endgültig erledigt ist. Bei Agenturinkasso (ja, gibt es auch noch) ist der Handelsvertreter hier auch noch zur Abwicklung der Rückzahlung verpflichtet, weil dies noch zu den Aufgaben gehört.
So weit, so gut. Ärgerlich wird es jedoch, wenn der Handelsherr (hier Reiseveranstalter bzw. Reederei) a) ihren Verpflichtungen gegenüber den Kunden nicht nachkommen, b) selbst nicht erreichbar sind oder der Kommunikation hohe Hürden in den Weg stellen und daher billigend in Kauf nehmen, dass sich ihre Kunden notgedrungen an den Handelsvertreter wenden müssen, welchem c) dann noch Mehrarbeit in Form der überflüssigen Kommunikationsabwicklung eines längst nicht mehr zu realisierenden Geschäfts aufgebürdet wird, ohne diesen zusätzlichen, nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Geschäftsabschluss stehenden Vorgang - dieser ist spätestens mit der Übermittlung der Stornierung beendet - in irgendeiner Form, und sei es meinetwegen durch Briefmarken für die entstehenden Portoauslagen, honorieren zu wollen.
Hinzu kommt: Der Kunde kann im Fall von Komplikationen nur schwer differenzieren, ob die Ursache beim Handesvertreter oder beim Handelsherren liegt. Hier fällt u. U. der Schwarze Peter dem Handelsvertreter zu, obwohl dieser sich redlich und eifrig, wenn auch evtl. (zunächst) vergeblich, um Klärung der Sachlage bemüht - obwohl dies nach Handelsrecht gar nicht mehr zu seinen Aufgaben zählt, wenn das Geschäft bereits geplatzt ist.
Grundsätzlich steht jedes Reisebüro eher auf der Seite des Kunden als auf der des Handelsherren. Kommt der Kunde nicht mehr und bucht woanders, träfe es in erster Linie den Handelsvertreter. Daher ist der Beistand für den Kunden, auch ohne Entlohnung, prinzipiell und auch in diesen Zeiten richtig und gut. Meine Kritik richtet sich eben gegen den Handelsherren, der einfach unvergütete Leistungen einfordert, die noch dazu im speziellen Fall dem erklärten Willen des Kunden widersprechen. Wüsste ich nicht, dass der Kunde bereits auf einer Auszahlung bestanden hätte, hätte ich wohl auch zumindest das erneute Umbuchungsangebot weitergeleitet; den Gutschein eher nicht - davon kriege ich Ausschlag.
Die besondere Dreistigkeit dabei: In der Branche habe ich eine auch für mich im Ergebnis erstaunlich hohe Um- bzw. Neubuchungsquote. Dies mag daran liegen, dass ich versuche, bereits vor einer offiziellen Reiseabsage die Kunden darauf vorzubereiten und mögliche Alternativen aufzuzeigen. Was ich aber nicht mache: Kunden zu überreden, etwas zu tun, was sie erklärtermaßen nicht wollen. Ist sich der Kunde unsicher, rate ich zm Abwarten, ggf. zu einer Optionsbuchung - aber wenn der Kunde sich entschieden hat, ist damit Schluss. Dann gilt es, den Kundenwunsch umzusetzen, auch wenn der bedeutet, diesmal umsonst gearbeitet zu haben.
So war dies bei dem betreffenden Veranstalter tatsächlich mein einziger Storno in 2020 - rund zwanzig andere Buchungen konnte ich, zur Zufriedenheit der Kunden, umbuchen. Andere Veranstalter honorieren dies zumindest damit, dass sie dies anerkennen und wissen, dass, wenn ich um Rückzahlung bitte, vorab alle möglichen Alternativen mit den Kunden erörtert habe - und dann in angemessener Zeit entsprechend handeln. Da muss nicht mehr diskutiert werden, ob vielleicht doch ein Gutschein...
Persönlich schmerzt es mich, von der Buchung eines Veranstalters, der dazu an sich ein gängiges und akzeptables Produkt anbietet, abraten zu müssen. Mit der Spezialisierung stellt man sich einem Fachhandelsgeschäft gleich. Und dies zeichnet sich dadurch aus, dass es eine durch die Spezialisierung definierte Produktbreite sowie eine besondere Produkttiefe anbietet. Unabhängig von persönlichen oder (im Falle einer möglichen Steuerung) finanziellen Vor- oder Nachteilen. Entsprechend buche ich auch dort - wenn es zum Kundenwunsch passt - wenn die Kommunikation umständlich ist, Buchungen grundsätzlich erst nach der fünften Korrektur richtig bestätigt werden, oder die Reederei mir dafür bekannt ist, erst Monate nach Fälligkeit und mehreren Erinnerungen die Provision zu zahlen. Dem Metzger schmeckt auch nicht jede Wurst aus der Auslage, aber er bietet sie seinen Kunden an. Aber eine verdorbene Wurst nimmt er aus der Theke. Und sowas schmerzt, weil es die Vielfalt, die im Fachgeschäft, egal ob für Wurst oder Kreuzfahrten, erwartet wird und gegeben sein soll, einschränkt.
Kurzum: Der Handelsvertreterstatus ist zum Wohle aller: Veranstalter, Reisebüros und nicht zuletzt der Kunden. Was nicht geht, ist das Abverlangen von Leistungen durch den Handelsherrn, die (weit) über die Pflichten des Handelsvertreters hinaus gehen, ohne diese vergüten zu wollen - noch dazu in Fällen, in denen die Regelvergütung (=Provision) ohnehin nicht zu erzielen ist und mit der solcher zusätzlicher Aufwand gegebenenfalls noch zu subventionieren wäre. Und dabei setze ich für die Bewertung beileibe keine Goldwaage ein.
So, jetzt geht es endlich an den Wein.

Gruß
Diddn