Nochmal ein Beispiel der Auswirkungen auf Reisebüros:
Kundin bucht im April 2020 für Dezember 2020 eine Flusskreuzfahrt. Beratung wird erbracht, der Kundin werden Katalog und im Anschluss die Buchungsunterlagen vom Reisebüro zugeschickt.
Eine Woche später ein Anruf der Kundin: Jetzt habe sie die Rechnung, gleichzeitig aber auch eine Stornobestätigung (mit aufgeführten Stornokosten!) des Veranstalters erhalten. Telefonische Klärung beim Veranstalter unmöglich; es geht keiner ans Telefon. Rückruf-Bitte auf AB bis heute, nach fast einem Jahr, nicht beantwortet. Mit dem Außendienst gelang dann am übernächsten Tag ein Kontakt.
Zwei Tage später der Rückruf des Außendienstes: Klärung unmöglich, ich solle die Buchung halt neu anlegen, auf die Stornokosten würde man verzichten.
Also neu gebucht. Die Wunschkabine war allerdings nicht mehr frei. Also gleiche Kabine auf parallel fahrendem baugleichem Schwesterschiff gebucht. Kundin mosert, weil ihr der andere Schiffsname besser gefallen hat.
Nächster Tag: Ich kontrolliere im Buchungssystem, ob die Buchung 'steht'. Da ich gerade die Buchungsnummer nicht zur Hand habe, suche ich über den Namen - und finde, neben dem Storno und meiner Neubuchung, eine weitere Buchung, identisch mit der stornierten Buchung. Diese kann ich aber nicht bearbeiten, weil nicht von mir angelegt.
Nochmal Außendienst, weil Veranstalter tel. immer noch unerreichbar. Eine Erklärung konnte man mir nicht geben, wolle aber die 'Fremdeinbuchung' (offensichtlich, wie ich mir später zusammenreimen konnte, hatte ein Azubi die erste Buchung versehentlich storniert und dann klammheimlich, als ihm der Fehler auffiel, neu eingebucht. Dass er aber auch eine kostenpflichtige Storno-Bestätigung ausgelöst hatte, war ihm wohl entweder nicht bewusst oder egal) rausnehmen.
Wieder eine Woche später: Kundin ruft an. Nun hätte sie zwei Rechnungen erhalten, für beide Schiffe je eine. Wieder Kontakt mit dem Außendienst. Angelegenheit unerklärlich, man wolle prüfen. Hat dann die Azubi-Buchung endlich entfernt. Kundin angesäuert, weil ihr der andere Schiffsname besser gefällt. Mir mittlerweile egal.
Im November dann der Storno der Reise wg. Beherbergungsverbot. Kundin informiert. Kundin war auch grundsätzlich umbuchungswillig, will die Reise dann ein Jahr später machen. Missversteht aber die sehr verklausulierten Rabatt-Bedingungen, die nicht für die Umbuchung, sondern nur für eine weitere, spätere Buchung einen Nachlass gewähren würden. Kundin verliert die Lust und will Geld zurück. Ich insistiere, dass sie, wenn sie eh die gleiche Reise im Folgejahr machen wolle, doch auch umbuchen könne - erspart ihr und mir womöglich den Ärger der Einbuchung (siehe oben). Kundin will es sich überlegen. Ich warte ab, wie ich die Kundin entscheidet.
Drei Tage später: Kundin ruft an. Sie habe nun selbst beim Veranstalter angerufen und erklärt, ihre Anzahlung (immerhin stolze 190 €) zurück zu wollen. An diesem Punkt bin ich raus. Wenn der Kunde so schlau ist, sich ohne Not am Reisebüro vorbei selbst mit dem Veranstalter in Verbindung zu setzen und Forderungen aufzustellen, ist mir keine Kulanz-, Beschleunigungs- oder Sonstwas-Regelung mehr möglich. Warum sie nun bei mir anrufe? Man habe ihr gesagt, sie solle die Rückforderung schriftlich beantragen. Wie sie das denn machen solle... Goodwill: Ich habe ihr den Zweizeiler diktiert, den sie nun selbst schreiben muss.
Sicherheitshalber eine E-Mail von mir an den Veranstalter, dass die Kundin ihm gegenüber und nun auch mir erklärte, Geld zurück haben zu wollen und auf den dort bereits aktenkundigen Umstand hingewiesen. Keine Bestätigung außer der automatischen Eingangsbestätigung erhalten.
Pause. Bis heute. Der Veranstalter schickt mir per E-Mail ein neues Schreiben mit Kulanzangebot. Dazu ein Gutschein(!) für die Kundin über die Anzahlung von 190 €. Beides solle ich an die Kundin weiterleiten und ihr eine Umbuchung schmackhaft machen.
Ich habe keine Lust mehr. Nun habe ich dem Veranstaler geschrieben, dass ihm die Aufforderung zur Rückzahlung seit über einem Vierteljahr vorliegt. Dies schließt einen Gutschein aus. Zudem hat die Kundin keine E-Mail-Adresse. Ich müsste den wertlosen Plunder ausdrucken und der Kundin mit Erklär-Schreiben (damit sie es nicht wieder falsch versteht) per Briefpost zusenden. Da ich alles andere 'für umme' gemacht habe, möchte ich dafür aber nun vom Veranstalter bezahlt werden - per Vorkasse. Schließlich geht das über das von mir kostenlos zu Leistende nun m. E. deutlichst hinaus. Alternativ habe ich dem Veranstalter angeboten, er könne den Kram der Kundin gerne selbst zusenden.
Antwort? Falls überhaupt, dürfte die dann wohl im Juli kommen. Ich freue mich schon drauf.
Und die Kundin? Wird ihrer Anzahlung von 190 € wohl noch lange hinterher laufen - bei dem Aufwand, den der Veranstalter betreibt, um die Riesensumme nicht auszahlen zu müssen. Wenigstens muss ich das nicht tun - das hat sie mir mit dem eigenmächtigen Anruf beim Veranstalter abgenommen.
Und warum ich heute Abend ein Glas Wein zum Einschlafen brauche? Weil letzte Woche der nächste Kunde bei mir war, der nun nicht mehr reisen möchte - beim gleichen Veranstalter gebucht. Da hängen aber fast 3.000 € Anzahlung dran. Ich möchte noch gar nicht daran denken, was man sich Veranstalter-seitig ausdenken wird, um diese Rückzahlung zu vermeiden. Um Stornokosten für den Kunden zu vermeiden habe ich aber erst einmal zum Abwarten geraten - die Reise bis ins Donaudelta wird im Juni kaum durchführbar sein. Damit hat er die Anzahlung zwar nicht zurück, aber behält wenigstens den Anspruch auf Rückzahlung. Storniert er heute aus eigenem Anlass, fallen Stornokosten in Höhe der Anzahlung an und das Geld ist endgültig weg.
Seit Herbst ist in der Branche bekannt, dass dieser Veranstalter selbst auf Anwaltsschreiben und Mahnbescheide hin nicht bezahlt - nur nach Gerichtsurteil. Und die Gerichte sind diesbezüglich gerade im Nordosten Deutschlands sehr überlastet. Seitdem buche ich ihn nicht mehr, inzwischen auch nicht mehr auf ausdrücklichen Kundenwunsch. Glücklicherweise stellt dieser Veranstalter im Kreuzfahrt-Bereich einen Einzelfall dar. Gäbe es davon mehrere, hätte ich den Laden längst abgeschlossen und den Schlüssel weggeworfen.
Soviel zu den Corona-Auswirkungen auf Kreuzfahrt-Reisebüros.
Prost
Diddn