henry hat geschrieben: 14.05.2020 06:08
Parallele Umbuchungsangebote sind auch OK, aber momentan wäre ich für eine Umbuchung noch verunsichert.
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Das Liquiditätsschaffungsprinzip der Airlines, jedes Ticket zu jedem Zeitpunkt voll bezahlen zu lassen, und dies unabgesichert, ist zumindest für Privatpersonen unakzeptabel und nicht zeitgemäß.
Hallo Henry,
im Gegensatz zum Gutschein wäre eine umgebuchte Reise insolvenzversichert. Einige Anbieter gestatten auch die mehrfache Umbuchung, so dass hier, sollte derzeit kein passendes Angebot dabei sein, zunächst in einer Umbuchung das bereits bezahlte Geld "zwischengeparkt" werden kann. Von der fakischen Rückzahlung des Reisepreises durch Aushändigung eines ungesicherten Gutscheines rate ich weiterhin grundsätzlich ab, wenn dieser nicht Zug um Zug wieder in eine sinnvolle Neubuchung investiert werden kann.
Die Entwicklung hin zu sofort zahlbaren Flugpreisen hat sich im Markt entwickelt. Noch vor 25 Jahren war es durch die Bank üblich, zunächst nur zu buchen - mit geringer Anzahlung oder meist ganz ohne. Erst bei Ausstellung des Tickets (meist 30 - 14 Tage vor dem Reisetermin) wurde dann der (Rest-)Betrag fällig. Der Nachteil dieser Buchung in der Art einer Reservierung: Der Flugpreis bleibt zwar fix, jedoch sind die Steuern (Taxes) bis zur Ausstellung variabel und Währungsschwankungen (wenn das Ticket außerhalb des eigenen Währungsraumes ausgestellt wird) gehören ebenfalls bis zur Ausstellung des Tickets zum Risiko des Kunden. Die Variabilität (außer auf den Netto-Ticketpreis, der ist ja fix) ist in beide Richtungen gegeben. Da kann der Preis auch schon mal ein paar Euro sinken, wenn eine Steuer reduziert wird und/oder die Währungsparität sich zum Vorteil des Kunden verschiebt.
Solche Tarife gibt es durchaus noch im Linienflugverkehr - manchmal auch mit einer Ticketingfrist erst zwei Tage vor Reisetermin; in einzelnen Fällen sogar noch danach. Dann bliebe bis zum Abflug die Option offen, den Flug letztlich zur Festbuchung zu wandeln, oder auch nicht.
Mit dem Aufkommen der Billigflieger (also im Prinzip schon seit Einführung günstiger Langstrecken-Tickets aus Graumärkten wie dem Charter) gibt es die heute den meisten bekannte Version, dass man ein Ticket beim Kauf direkt zu 100 % bezahlt und damit als Nebeneffekt auch nachträgliche Preisschwankungen der Taxes oder verursacht durch Währungsschwankungen ausschließt. Aufgrund der immer stärkeren Nachfrage hat sich die Industrie darauf eingestellt und bietet diese Tarife als Einstiegstarife an. Durch den etwas niedrigeren Preis wird damit die sofortige Liquidität erkauft.
Tarife mit offenen Buchungen, bei denen also die Ausstellung des Tickets nicht zeitgleich mit der Reservierung einher geht, gibt es aber noch, und manchmal liegen diese preislich gleich oder im einstelligen Bereich über den Tarifen, die die Sofortzahlung verlangen. Meist sind dies dann eher 'klassische' Tarife, die dann auch die Gepäckbeförderung mit einschließen, so dass unter dem Strich sogar noch etwas gespart werden könnte. Teils sind auch großzügigere Umbuchungs- oder Stornokonditionen (nach Ticket-Ausstellung) enthalten.
In einer Geiz-ist-geil-Mentalität schaut aber (fast) alle Welt immer nur auf den günstigsten angebotenen Preis, dann erst danach, ob Gepäckbeförderung inkludiert ist - und erst ganz am Ende, wenn überhaupt, ob ein anderer Tarif noch weitere Vorteile bietet.
Ich arbeite gerne mit solchen Tarifen. Erstens gibt es die Möglichkeit, analog einer Kreuzfahrt-Option eine Buchung unverbindlich anzulegen. Überlegt man es sich anders, wird die Reservierung storniert und gut ist. Zweitens hat der Kunde etwas Zeit, das Ticket zu bezahlen - bei mir wird das Konto am Folgetag der Ticketausstellung belastet, unabhängig vom Tag der Buchung. Drittens: Die Einführung oder Erhöhung von Steuern werden i. d. R. wenige Tage im Voraus kommuniziert. Dann bleibt noch Zeit abzuwägen, ob das Ticket nun doch vor Ende der Ticketingfrist ausgestellt wird um diese Erhöhung zu vermeiden, oder ob Abwarten trotzdem die insgesamt bessere Variante ist. Viertens wäre es eine Option, wenn die Wunschverbindung zum Buchungszeitpunkt zu teuer erscheint, zunächst eine weniger bevorzugte Streckenführung zum günstigen Preis zu wählen und dann ggf., wenn der Preis der Wunschverbindung sinken sollte, dort neu zu buchen und die erste Buchung zu stornieren. Fünftens wäre dies auch anwendbar, wenn es zwischen Buchung und Ausstellung des Tickets eine neue, bessere (und vielleicht günstigere) Verbindung gibt.
Es gibt also durchaus eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die über die drei, vielleicht vier dem Endverbraucher auf einer Airline-Webseite offerierten Tarife hinaus gehen. Schon deshalb lohnt sich auch für reine Flugbuchungen der Weg ins Reisebüro - und sei es um festzustellen, dass es im Einzelfall tatsächlich keine günstigere/bessere Buchungsvariante gibt. Hier sollten aber alle Bedürfnisse des Reisenden betrachtet werden: günstiger Preis, eingeschlossene Nebenleistungen (z. B. Gepäck), Beförderungsklasse, Ticketingfrist (Zahlungstermin), Flexibilität nach Ticketing (Umbuchungs-/Stornierungsmöglichkeiten und -kosten). Das kann aufgrund der Komplexität nur ein darin geübtes Reisebüro leisten, welches dann, wenn ein Angebot vorgelegt wird, auch auf die jeweiligen Vor- und Nachteile eines Tarifes hinweist.
Nicht verschweigen möchte ich, dass es hin und wieder mal ein schwarzes Schaf gibt. Durchschnittlich zwei- bis dreimal im Jahr fällt ein Reisebüro mit der Veruntreuung von Kundengeldern auf. Meist wird dann erst am Flughafen festgestellt, dass es zwar eine Buchung, jedoch kein Ticket gibt. Das kann auch mal durch Unachtsamkeit in Einzelfällen ohne böse Absicht geschehen. Dem kann man aber prinzipiell ganz einfach vorbeugen: Der sechsstellige alphanumerische File Key, die Buchungsnummer, ist das, was der Name sagt: Unter dieser Nummer wurde eine Buchung angelegt. Mehr nicht. Erst mit der Ticketausstellung wird die eigentliche 13-stellige numerische Ticketnummer vergeben. Hat man die, ist man auf der sicheren Seite. Die sollte auf der Rechnung ausgewiesen sein. Im Internet-Zeitalter kann man es aber auch schlicht dadurch prüfen, indem man sich online bei der entsprechenden Airline mit der sechsstelligen Buchungsnummer einloggt. Unter der Buchung ist dann auch stets die TIcketnummer vermerkt, wenn eine solche existiert. Zudem wäre ein Check-in, der heutzutage ja auch meist online vorab getätigt wird, ohne Ticketausstellung nicht möglich. Ausnahmen von dieser Regel gelten nur bei wenigen Billigfliegern, die eh ausschließlich auf eigenen Vertrieb und eigene Vertriebstechnik setzen und bei denen sowieso bei Buchung stets direkt der volle Preis bezahlt werden muss. Dennoch können viele dieser Flugverbindungen im Reisebüro mit geprüft und angeboten werden; dann eben zu diesen Tarifbedingungen.
Je nach gewählter Airline empfehle ich zur Flugbuchung eine Insolvenzversicherung, die meist für 8 - 15 € extra abgeschlossen werden kann. Fairerweise muss ich hier darauf hinweisen, dass, Corona-bedingt, derzeit keine Versicherung bereit ist, irgendein Airline-Ticket gegen Insolvenz zu versichern. Mit zunehmender Normalität sollte aber auch dies nach und nach wieder möglich werden.
Gruß
Diddn