fneumeier hat geschrieben: 24.04.2020 16:46
Die Spanier sind der Auffassung, dass die Umsatzsteuer dann auf der gesamten Reise anfällt, auch wenn französische oder italienische Häfen mit dabei sind.
Carmen, das ist nicht die Meinung der Spanier, sondern der EU: Bei grenzüberschreitendem (EU-)Binnenverkehr werden Umsätze an Bord des Verkehrsmittels (Schiff, Bahn und Bus betrifft das gleichermaßen) während der gesamten Reise im Abfahrtsland versteuert, was die Erhebung der Mehrwertsteuer angeht. In Bahn und Bus merkt man das nur nicht, weil dort überall Endpreise angegeben sind. Wenn Du aber mal im beispielhaft erwähnten ICE ab Amsterdam auf den Beleg im Speisewagen schaust, wirst Du dort beim Mehrwertsteuerausweis die niederländische Mehrwertsteuer sehen, auch wenn der Zug längst durch Deutschland rollt. Genauso verhält es sich, wenn man in Passau einsteigt und nach Norden fährt, wenn der Zug z. B. aus Wien kommt. Dann wäre es die österreichische Steuer. Umgekehrt wird die deutsche Mehrwertsteuer weiter hinter der Grenze berechnet, wenn der Zug z. B. von München nach Budapest fährt. Die deutsche Mehrwertsteuer gilt dann bis zum Zielort des Zuges. In diesem Beispiel wäre es auf der Rückfahrt durchgängig die ungarische Mehrwertsteuer.
Das von Dir erwähnte 'Barcelona-Problem' trifft vor allem bei amerikanischen Reedereien zu, die im westlichen Mittelmeer verbleiben. Dort ist es wie in den USA üblich, dass Preislisten netto sind und Steuern, Tips etc. dann noch draufgeschlagen werden. Früher wurde da z. B. Tunesien oder Marocco angelaufen, um der Mehrwertsteuerpflicht auszuweichen.
Typisch spanisch ist jedoch die Auslegung, dass auch bei Routen mit non-EU-Häfen die Mehrwertsteuer während der Liegezeit vor dem Auslaufen anfällt. Darum sollte man Bordausgaben in solchen Fällen erst nach dem Auslaufen tätigen, wenn die Reederei die Steuer an den Passagier weiter reicht - z. B. das Getränkepaket nicht schon direkt nach der Einschiffung kaufen, wenn man es nicht eh schon mitgebucht hat.
Die Erhebung der Mehrwertsteuer betrifft übrigens nicht nur die Bordausgaben, sondern auch den Reisepreis an sich, auf den die Reedereien die Mehrwertsteuer abführen müssen, wenn es eine rein innergemeinschaftliche Reise ist. Im östlichen Mittelmeer wurden dadurch z. B. Montenegro (Kotor) und Albanien (Sarande) als Anlaufhäfen 'entdeckt' - eben weil sie nicht in der EU sind und daher die Reise insgesamt von der Mehrwertsteuer befreit ist. Auch mit ein Grund, warum viele Reedereien gerne wieder die Türkei und Ägypten sowie Israel anlaufen wollen bzw. dies auch in den vergangenen Jahren nicht ganz eingestellt hatten. Und die Kanaren mit ihrem steuerlichen Sonderstatus profitieren davon: Kanaren-Kreuzfahrten sind meist im gleichen Preisrahmen wie Fahrten im westlichen Mittelmeer, wenn nicht sogar etwas günstiger, trotz höherem Aufwand für An- und Abreisen (auch der Crews) und Proviantbeschaffung. Und unter dem Strich sind sie dennoch lukrativer für die Reedereien.
Davon merkt der gewöhnliche europäische Gast meist nichts, weil er an die Angabe von Endpreisen gewöhnt ist. Die unterschiedliche Steuerlast muss daher von der jeweiligen Reederei/Veranstalter zuvor in der Endpreis-Kalkulation berücksichtigt werden. Nur eben bei meist amerikanischen Reedereien, die Taxes zusätzlich auf Bordausgaben aufschlagen wenn sie anfallen, bemerkt man es. Europäische Reedereien neigen eher dazu, diese zusätzlichen Kosten selbst zu tragen wenn sie sich aufgrund der Routenführung nicht vermeiden lassen, da ihre Preise in Getränke-, Spa- und anderen Preislisten in der Regel als Endpreise angegeben sind.
Warum ich das weiß, ohne die einzelnen Paragraphen dazu benennen zu können? Da ich hin und wieder ein Schiff im Voll- oder Teilcharter habe, bin ich da in der Veranstalterrolle. Und da werden mir dann die entsprechenden Mehrwertsteuern von der Reederei berechnet. Für große Veranstalter lohnt es sich, diese als Vorsteuer im jeweiligen EU-Staat geltend zu machen und aufzurechnen - für mich als nur gelegentlich als Veranstalter tätiges Reisebüro eher nicht. Der Aufwand ist schlicht zu groß, und so muss die nicht zurückholbare ausländische Mehrwertsteuer als Kostenfaktor in die Endpreis-Kalkulation einfließen.
Da nach Corona die Reedereien sehr genau die Kostenentwicklung im Auge halten müssen, dürfte auch die Steuerfrage eine noch größere Rolle bei der Planung, welche Routen wieder aufgenommen werden, spielen - vorausgesetzt, die Öffnung der Häfen gibt dies her.
Gruß
Diddn