Fortsetzung Samstag:
Nach dem Besuch auf der Splendor of the Seas fuhren wir mit dem Motorboot zu einer Vaporetto-Anlegestelle in der Nähe des Markusplatzes (Arsenale) und hatten bis 18:45 Freizeit in Venedig oder an einer geführten Venedig-Besichtigung teilzunehmen. Ich wollte ursprünglich den Dogenpalast besichtigen. Ganz in der Nähe lag jedoch die
Amerigo Vespucci, ein 78 Jahre altes Segelschulschiff der italienischen Marine. Der Reiseleiter sagte uns, dass es möglich sei es zu besichtigen. Diese Gelegenheit wollte ich nutzen, den Dogenpalast könnte ich ja zu einem anderen Zeitpunkt anschauen. Vor dem Schiff war schon eine sehr lange Schlange, doch das hielt mich nicht davon ab mich anzustellen.
Es dauerte fast eine Stunde bis ich endlich aufs Schiff durfte. Erstaunlicherweise wurde kein Eintritt verlangt. Die Amerigo Vespucci ist top-gepflegtes, wunderschönes dreimastiges Vollschiff. Besichtigt werden konnten die 3 Decks (Vordeck, Kanonendeck und Poopdeck). Nicht nur für Segelfreunde ist der Anblick des vielen polierten Holzes und der Messingbeschläge eine wahre Augenfreude. Wenn man auf so einem großen Segelschiff steht und nach oben in die Masten blickt, fragt man sich wie es wohl den Matrosen geht, die bei stärkerem Seegang zum Segel setzen in die Wanten geschickt werden. Heutzutage erfolgen solche Manöver üblicherweise ja nicht ohne Sicherung. In jedem Fall wird von den Matrosen absolute Schwindelfreiheit vorausgesetzt ;-)
Vom Rumlaufen und Anstehen war ich ziemlich müde. Da kam eine Bank am Vordeck mit Blick auf die Lagune wie gerufen. Als ich auf die Uhr blickte, fiel mir ein, dass in Kürze, also gegen 17:00 Uhr mehrere Kreuzfahrtschiffe auslaufen würden und hier, an Bord der Amerigo Vespucci, hätte ich einen exzellenten Logenplatz dafür. Also blieb ich einfach sitzen und hielt Fotoapparat und Videokamera bereit. Langsam senkte sich die Sonne Richtung Horizont. Das war von meiner Blickrichtung aus genau der Kreuzfahrthafen, also dort wo die Schiffe herkommen würden. Die Schiffe würden also in dieser prachtvollen Lichtstimmung auf mich zufahren. Ich hielt kurz inne und vergegenwärtige mir, dass ich wohl im Begriff war etwas zu erleben, an das man sich vermutlich sein ganzes Kreuzfahrerleben erinnern wird. Ich saß auf einem wunderschönen alten Schiff mit Blick auf den Hafen einer der schönsten Städte, die ich kenne, und erlebte einen Sonnenuntergang wie aus dem Bilderbuch und das Defilee jener Schiffe, die ich vorhin bereits im Hafen aus der Nähe betrachten konnte. Zuerst tauchte die
Seabourn Spirit auf. Wenig später folgte die
Carnival Freedom. Danach kam die
MSC Poesia und schließlich die
Splendour of the Seas. Es war ein Defilee der Extraklasse, das sich mir in dieser Stunde bot und ich wusste nicht, wie ich gleichzeitig fotografieren und filmen sollte. Schließlich nahm ich die Videokamera in die linken Hand und den Fotoapparat in die rechte. Wie man so hört, soll es ja so sein, dass auf modernen Schiffen mit Balkonkabinen sich zum Ein- und Auslaufen die Passagiere bevorzugt auf diesen aufhalten sollen und die öffentlichen Decks leer sind. Dies kann ich auf für keines der auslaufenden Schiffe bestätigen. Die öffentlichen Decks waren immer voll mit Menschen, die sich diese spektakuläre Ausfahrt nicht entgehen lassen wollten (Siehe auch die Dia-Show
http://picasaweb.google.com/wyngyld/Sch ... ungVenedig).
So gegen 18:00 Uhr war dieses Spektakel zu Ende. Ich schwebte wie auf Wolken von Bord der Amerigo Vespucci. Ich hatte mir nicht erwartet so etwas zu erleben und allein schon dafür war es Wert gewesen diese Reise zu unternehmen. Ich beschloss die restlichen 45 Minuten bis zu unserer Abfahrt mit einem Spaziergang zum Markusplatz zu nutzen und freute mich über die schöne Abendstimmung.
Auf der Rückfahrt hatte ich die Gelegenheit mit den wenigen erfahrenen Kreuzfahrern ins Gespräch zu kommen. Sie waren alle schon auf Royal Caribbean Schiffen gefahren. Ein Ehepaar fand sie ansprechend während ein Herr, der üblicherweise nur auf ganz neuen Schiffen unterwegs ist, sich mit der Splendor nicht sehr zufrieden zeigte. So sind die Geschmäcker verschieden.
Das Abendessen war wieder in einer Qualität, die ich lieber nicht erwähnen will und ich war wieder froh, dass ich meine wärmende Vliesdecke hatte. Wie ich mittlerweile von einer Freundin weiß, die regelmäßig Urlaub in Italien macht, scheint die Variante Leintuch mit Wolldecke in Italien der gängige Standard zu sein. Ich frage mich, wie man im Winter in gebirgigeren Regionen die Nacht übersteht. Mir wäre das definitiv zu kalt.
Sonntag:
Nachdem ich bereits zu Hause die Sonnenauf- und –untergangszeiten recherchiert hatte, nahm ich mir vor am Sonntag ganz früh am Strand zu sein, um den Sonnenaufgang zu erleben und auch festzuhalten. Das Wetter hatte sich seit Freitag täglich gebessert. War es Freitag abend noch sehr wolkenverhangen und windig, Samstags vorwiegend bewölkt und abends sonnig, war der Himmel am Sonntag morgen völlig wolkenfrei. Ich hatte erneut den Strand wieder für mich allein und erlebte einen sehr schönen Sonnenaufgang.
Nach dem Frühstück ging es mit dem Bus erneut zum Kreuzfahrthafen von Venedig. Es gab eine Programmänderung. Da auf der Summit ein Virus ausgebrochen war und zurzeit keine Besichtigungen möglich waren, hat das veranstaltende Reisebüro eine Kurzbesichtigung der
Azamara Journey ermöglicht. Im Hafen traf ich eine alte Bekannte, die
Costa Serena, und ich freute mich über das Wiedersehen. Von außen gefällt sie mir ja recht gut, innen ist sie aber - Joe Farcus sei Dank - leider bis zur Unkenntlichkeit verkitscht. Einzige Ausnahme ist das Spa, das ich in jeglicher Hinsicht genial finde (und auch froh bin, dass es kostenpflichtig und damit auch nicht überfüllt ist). Daher würde ich auch mit ihr wieder fahren.
Die Sicherheitskontrollen liefen sehr zügig ab. Während bei der Besichtigung der Splendor unsere Pässe ungeordnet in eine Kiste gegeben wurden und es beim Verlassen des Schiffs eine ziemliche Weile dauerte, bis jeder wieder seinen Pass hatte, erhielt man bei der Azamara Journey eine Nummer, unter der dann beim Verlassen des Schiffs der betreffende Pass ganz einfach gefunden werden kann. Hier war man offenbar besser organisiert.
Bereits beim Betreten des Schiffs war ein völlig anderer Einrichtungsstil sichtbar. Unser Reiseleiter meinte, dass dieses Schiff wesentlich „europäischer“ ist. In den Gängen gab es keine glatten Wände, sondern weiße Bordüren und Stuckleisten, die einen eleganten Eindruck machten. Ich wähnte mich nicht an Bord eines Schiffs, sondern in einem Alt-Wiener Gründerzeithaus, was mich kurzfristig etwas irritierte, weil die Azamara Journey ein Schiff aus dem Jahr 2000 ist.
Der Eingangsbereich auf Deck 4 besitzt eine Treppe auf Deck 5. Ich hatte in Erinnerung, dass diese in einem Werbetext als Reminiszenz an die Titanic erwähnt wurde und dafür ist sie – so nett sie auch sein mag - lächerlich klein. Apropos klein: Obwohl mir klassische Designs gut gefallen und ich mich auch in einem solchen Ambiente üblicherweise sehr wohl fühle, erschienen mir die Räumlichkeiten auf der Azamara Journey doch sehr niedrig. Das Hauptrestaurant „Discoveries“ ist nur eingeschossig und da die Sessel auch noch sehr eng gestellt sind, wirkt der Raum leider viel zu angeräumt. Ebenso unvorteilhaft ist in diesem Restaurant die Vertäfelung aus dunklem Holz, die in einem hohen, großen Raum toll zur Geltung käme, hier aber erdrückend und finster wirkt.
Ich finde die Innenausstattung auf der Azamara Journey grundsätzlich nicht abstoßend, aber ein wenig übertrieben. Auf mich wirkt das Schiff nicht echt europäisch, sondern wie Amerikaner glauben, dass europäisch aussehen könnte oder wie Amerikaner gerne sich einen europäischen Stil wünschen, weil schließlich wird vermutlich der Großteil der Passagiere aus Amerika stammen und deren Geschmack galt es offenbar zu treffen.
Diesmal hatte ich auch die Gelegenheit drei Kabinen mit Balkon (Penthouse-Suite, Sky-Suite und Sunset Veranda) zu sehen. Ich fand sie auf den ersten Blick sehr ansprechend und gemütlich, was mich aber massiv gestört hat war der grausige Duschvorhang aus Plastik. Selbst in unserer „Holzklasse“-Innenkabine (Kategorie Britannia) auf der QE2 hatten wir eine wegklappbare Duschwand aus Glas. Dass sich Gäste einer Penthouse Suite in ihrer Whirlwanne mit diesem ekligen Vorhang herumquälen müssen ist Sparsamkeit am falschen Platz.
Apropos Bad: In der kleinsten Kabine (Kategorie SV, Sunset Veranda), die ich besichtigte, war das Bad so winzig, dass darin kaum eine Person Platz hatte. Hier darf ich erneut unsere QE2-Kabine erwähnen, wo das Bad zwar keine Reithalle war, aber gleichzeitig eine Person duschen und die andere (trockenen Fußes) Zähne putzen konnte. Was den Balkon anlangt, so fand ich den der am Heck gelegenen Penthouse-Suite von der Größe her super. Es gab zwei Türen (Schlafzimmer und Wohnzimmer) und man konnte um die Ecke gehen. Auf der einen Seite gibt es zwei Liegen, auf der anderen einen Tisch und zwei Sessel. Leider war er aber bis in Sitzhöhe blickdicht. Die Balkone der anderen beiden Kabinen waren relativ klein, sodass man nur draußen sitzen konnte. Teilweise waren die Balkone auch bis in Sitzhöhe blickdicht, d.h. im Bett liegen und aufs Meer schauen ist nur eingeschränkt möglich.
Nach der Kabinenbesichtigung war meine Gruppe verschwunden. Ich fuhr zurück zu Deck 4 und musste mit Entsetzen feststellen, dass bereits die ersten das Schiff verlassen hatten. Ich hatte noch gar nicht das Pooldeck gesehen! Der Reiseleiter meinte nur, dass es jetzt dafür zu spät sei und wir jetzt gehen müssten. Diese fünf Minuten kurz mal schauen wäre mit etwas Willen sicherlich möglich gewesen, aber so schnell konnte ich gar nicht schauen, hatte ich schon meinen Reisepass in der Hand und musste gehen. Ich war echt sauer.
Wie mir meine Mitreisenden später erzählten gab es kein Hallenbad (was für Reisen in kühlere Regionen berücksichtigt werden sollte, so man gerne schwimmen geht), sondern nur ein offenes mit Holz beplanktes Pooldeck mit eleganten, qualitativ hochwertigen Holzliegen.
Danach traten wir in unserem Bus die Heimreise an.
Fazit: Trotz mehrerer Ärgernisse hat sich die Reise gelohnt. Sollte es wieder so eine Reise geben werde ich anregen, dass die Dauer und Gruppeneinteilung bei den Führungen so gestaltet ist, dass man ausreichend Zeit zum Fotografieren/Filmen hat. Das ist ja der Hauptgrund, warum man eine solche Reise unternimmt. Es waren ja einige ältere Leute mit, die nicht mehr so schnell laufen konnten und da wäre es nahe liegend mit einer solchen Gruppe mitzugehen. Da man zum Fotografieren auch etwas länger braucht kann man nicht so schnell verloren gehen.
Beide Schiffe konnten sich zwar nicht auf Anhieb als meine neuer Lieblinge etablieren, sind aber grundsätzlich nicht unsympathisch, dh. wenn Route und Preis passen könnte ich mir durchaus vorstellen auf ihnen zu fahren.
Durch diese Reise hat sich mein Kreuzfahr-Horizont wesentlich erweitert.