Reisebericht Vegane Schnupperkreuzfahrt 10.-12.11.2017

Nicht nur auf hoher See kann man die Annehmlichkeiten einer Kreuzfahrt genießen, sondern auch auf Flüssen, Seen & Kanälen
Antworten
Benutzeravatar
Raoul Fiebig
Captain
Captain
Beiträge: 30710
Registriert: 07.09.2007 15:52
Wohnort: Paderborn/Ludwigsfelde
Kontaktdaten:

Reisebericht Vegane Schnupperkreuzfahrt 10.-12.11.2017

Beitrag von Raoul Fiebig »

Hallo allerseits,

vom 10. bis 12. November 2017 war ich erstmals mit Vegan Travel unterwegs. An Bord der „Serenade 1“ der Reederei Select Voyages ging es auf „veganer Schnupperkreuzfahrt“ von Mainz nach Neuss.

Bild

Vorab: Ich bin kein Veganer oder auch nur Vegetarier, achte jedoch seit einigen Jahren sehr auf meine Ernährung (meine Hausärztin attestierte mir zuletzt einen „übermäßig asketischen Lebensstil“). Ich ernähre mich normalerweise strikt low-carb, verzichte also weitgehend auf kohlenhydratreiche Nahrung (Gebäck und andere Getreideprodukte wie Nudeln und Reis, Kartoffeln und insbesondere alles, was Industriezucker enthält), esse aber sehr wohl Fleisch und viel Gemüse / Salat. Für zwei Tage funktionierte die Umstellung auf eine doch ziemlich kohlenhydratreiche Kost recht gut, längerfristig ist das allerdings nichts für mich – gar nicht mal wegen des Verzichts auf tierische Produkte, sondern wegen der für mich zu vielen Kohlenhydrate. Ich habe in den zwei Tagen an Bord sicher so viel davon gegessen wie zuhause in zwei Wochen.

Route
Die 2-Nächte-Kurzreise führte von Mainz über Rüdesheim, Koblenz und Köln (am Abend des 11.11.2017 – Alaaf!) in den Neusser Hafen. Da wir alle Ziele bereits gut kannten und das Wetter ziemlich nass und trüb blieb, haben wir uns – mit Ausnahme eines ausgiebigen Spaziergangs in Koblenz – auf die Angebote an Bord konzentriert.

Anreise
„Das Leben in vollen Zügen genießen“ – was gibt es besseres? Erst recht, wenn diese Züge der Deutschen Bahn gehören! Ich fahre gerne Bahn, aber die Deutsche Bahn macht es einem ja gerne einmal schwer. Insbesondere, wenn man auf eine InterCity-Verbindung angewiesen ist, denn die oft altersschwachen Züge sind zuweilen eine echte Zumutung. Dass dann auch noch der längstmögliche InterCity unangekündigt in umgekehrter Wagenreihung einfährt und man vom einen Ende zunächst den halben Zug am Bahnsteig entlang hetzen und sich dann (um noch mitzukommen) den Rest zum anderen Ende (letzter statt erster Wagen) durch den vollen Zug kämpfen muss – geschenkt. Die Rückfahrt (zunächst mit der Straßenbahn bis Düsseldorf, dann mit dem Zug nach Hause) verlief immerhin problemlos.

Ein- und Ausschiffung
Der für Flussschiffverhältnisse sehr lange Einschiffungszeitraum von fünf Stunden sorgte dafür, dass die Passagiere sehr verteilt ankamen und es keinerlei Wartezeiten gab. Besser geht es einfach nicht. Auch die Ausschiffung war so stressfrei wie überhaupt nur möglich.

Das Schiff
Die „Serenade 1“ wurde 2005 durch die Ausbauwerft De Gerlien van Tiem in Druten an der Waal fertiggestellt. Der Rumpf entstand bei IHC in Kinderdijk. Sie weist die „Standardmaße“ von 110,0 x 11,40 Meter für Flusskreuzfahrtschiffe auf und bietet 136 Passagieren in 68 Kabinen Platz.

Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

Kabine
Die Standard-Kabinen der „Serenade 1“ sind für Flussschiff-Verhältnisse mit rund 16 m² ausgesprochen groß und komfortabel. Je nach Lage verfügen sie auf dem Unterdeck über kleine, nicht zu öffnende Fenster oder auf Mittel- und Oberdeck über einen französischen Balkon. Neben dem Doppelbett und ausreichend Schrankraum für eine einwöchige Kreuzfahrt zählen zwei Sessel mit Tisch, Minibar, Safe, Wasserkocher mit Instantkaffee und Tee (gratis), Fön sowie Telefon und Fernseher zur Ausstattung. Das Bad ist – wie nur bei wenigen Flussschiffen – nicht Teil der eigentlichen Grundfläche der Kabine, sondern zwischen dieser und der Nachbarkabine angeordnet. Durch Platzierung eines Badezimmers „außen“ (zur Fensterseite) und des Badezimmers der Nachbarkabine „innen“ (zur Seite des Kabinengangs) konnten zwei recht geräumige Badezimmer mit rechteckiger Grundfläche realisiert werden. Im Vergleich zur traditionellen Anordnung des Badezimmers im Eingangsbereich der Kabine entsteht so ein wesentlich geräumigeres Gefühl. Das Bad selbst verfügt zudem über eine (sehr kleine!) Dusche und zusätzlich eine Badewanne – was für Flussschiffe ausgesprochen ungewöhnlich ist. Etwas unpraktisch ist, dass die Toilette so angeordnet ist, dass jemand, der darauf sitzt, die nach innen öffnende Tür blockiert.

Bild

Bild

Bild

Bild

Essen & Trinken
Zwei Tage komplett vegane Ernährung waren eine neue Erfahrung für mich. Ich koche zwar hin und wieder z.B. ein veganes Gericht aus der indischen oder thailändischen Küche – aber nicht, weil es vegan ist, sondern weil es mir schmeckt. Nach der Einschiffung gab es zur Kaffeestunde neben einem exzellenten veganen Apfelkuchen kleine Canapés, die ebenfalls sehr lecker waren. Zudem konnten gemüse-basierte Aufstriche und „Gemüsescheiben“ der Firma NOA verkostet werden, die es auch morgens sowie beim Dinner als Butterersatz gab. Diese haben mir so gut geschmeckt, dass ich derzeit schaue, wie ich sie auch zuhause bekomme.

Beim Kaffee hörte meine Begeisterung über das vegane Angebot dann leider auf: Erst einmal war der Kaffee an sich nicht sonderlich gut (was mit dem Thema „vegan“ freilich nichts zu tun hat), die Sojamilch machte ihn allerdings nicht besser. Und da es nur Zucker, jedoch keinen Süßstoff gab, durfte ich ihn dann auch noch ungesüßt trinken. Ja, Süßstofftabletten sind in der Regel nicht vegan, weil sie (wie auch viele medizinische Tabletten) Lactose enthalten. Ich hätte mir jedoch gewünscht, dass man – auch im Hinblick auf mögliche Diabetiker – eine vegane Zucker-Alternative bereithält, z.B. Xylit oder Erythrit. Beim nächsten Mal würde ich das einfach von zuhause mitbringen, wo beides zu meiner Grundausstattung gehört.

Mit dem Abendessen war ich wiederum sehr zufrieden, wobei die Auswahl des Hauptgangs sich erwartungsgemäß für jemanden, der low-carb lebt, eher schwierig gestaltete, lauteten die Alternativen doch Nudelgericht, Reisgericht oder Kartoffelgericht. Ich esse alles drei tatsächlich im Grunde sehr gerne, verzichte aber seit meiner Ernährungsumstellung weitestgehend darauf. Das ist aber schlicht meine persönliche Inkompatibilität mit veganer Ernährung – alles war sehr, sehr lecker.

Zum Frühstück gab es ein umfangreiches warmes und kaltes Angebot. Ersteres umfasste veganes Rührei (durchaus essbar), gebratenes Gemüse, Baked Beans, frische Champignons, gegrillte Tomaten usw. Neben einer Obst- und Gemüseplatte gab es auch vegane Wurst und veganen Käse (die mir allesamt nicht geschmeckt haben), Zerealien mit Soja-, Mandel- oder Reismilch, Marmelade, vegane Schokocreme, Soja-Joghurt usw., dazu Brot, Brötchen, Gebäck sowie Smoothies (an sich eine tolle Idee, ich fand sie aber nicht gut) und Säfte.

Mittags gab es neben den servierten Gängen ein umfangreiches Salatbüfett, was immer sehr nach meinem Geschmack ist. Auch hier stellte sich wieder heraus, dass ich veganes Essen im Grunde sehr gerne esse – mit Ausnahme von „Ersatzprodukten“. So schmeckt gebratener Tofu für mich – sorry – in etwa so, wie ich mir gebratenen Pappkarton vorstelle.

Bild

Am Abend stand dann ein 7-gängiges Gala-Dinner auf dem Programm, das seinen Namen zu Recht trug. Auf längeren Reisen bringt Vegan Travel übrigens einen eigenen veganen Koch mit an Bord, der das Küchenteam des Schiffs unterstützt. Auf dieser Kurzreise war dies nicht der Fall, doch hatte Select Voyages für diese erste vegane Kreuzfahrt auf einem seiner Schiffe einen Corporate Chef abgestellt. Am Ende des Dinners fragte der Hotel Manager an jedem Tisch nach, ob alles in Ordnung war und entschuldigte sich prophylaktisch, falls etwas nicht zu 100% den Erwartungen entsprochen habe, da man mit solcherlei Reisen noch keinerlei vorherige Erfahrung habe. Wir waren jedoch sehr zufrieden.

Bild

Service
Vegan Travel chartert in der Regel hochmoderne, hochwertige Schiffe, die normalerweise für internationale, meist englischsprachige Passagiere fahren. Diese Charter-Reisen finden oft vor Beginn oder nach dem Ende der regulären Saison statt. Entsprechend war die zwölf Jahre alte (und 2015 umfangreich renovierte) „Serenade 1“ trotz ihres – für „normale“ deutsche Flusskreuzfahrtpassagiere – sehr hohen Standards für Vegan Travel ein eher „einfaches“ Schiff. Da auch dieses Schiff normalerweise nicht für deutschsprachige Gäste unterwegs ist, war Englisch bei vielen Besatzungsmitgliedern die Sprache der Wahl. Select Voyages hatte aber für einen deutschen Ansprechpartner an der Rezeption gesorgt und auch das Führungspersonal sprach zumindest ein wenig deutsch.

Der Service war allgemein sehr freundlich und auf einem für deutsche Flussschiffverhältnisse sehr ordentlichen Standard. Gerade auf Schiffen für amerikanische Reisende – das muss an dieser Stelle gesagt werden – wird allerdings sehr viel mehr an geschliffener Professionalität erwartet als man es hierzulande gewohnt ist. Die Kabinenreinigung war gründlich, dauerte jedoch bis zum Nachmittag.

Unterhaltung
Was kann man auf einer 2-Nächte--Flusskreuzfahrt mit immerhin drei Anlaufhäfen an Unterhaltung erwarten? Vegan Travel lieferte einiges. Natürlich gab es den obligatorischen – und in diesem Fall sehr guten – Alleinunterhalter. Partynacht, (naturgemäß vegane) Weinverkostung und ein Quiz sorgten für zusätzliche Abwechslung. Lediglich wer mehr Informationen zu den zahlreichen Attraktionen des Mittelrheintals erwartet hatte, wurde u.U. enttäuscht. Lediglich bei der Vorbeifahrt an der Loreley wurde eine kurze Durchsage gemacht. Nach unzähligen Reisen durch diese pittoreske Landschaft störte uns dies jedoch nicht.

Fazit
Hat es sich gelohnt das „Experiment“ vegane Flusskreuzfahrt zu buchen? In meinen Augen ja. Ich bin jemand, der immer gerne neue Produkte ausprobiert. Was Vegan Travel anbietet, ist in dieser Form einzigartig. Aus Sicht eines Veganers kann ich mir die Begeisterung über diese Reisen gut vorstellen, muss man doch nicht dauernd schauen, was alles vegan ist und was nicht. Mit dem Essen an Bord bin ich gut zurechtgekommen, musste jedoch die Prämisse „low carb“ für zwei Tage über Bord werfen. Daher wäre so etwas auch für einen längeren Zeitraum einfach nichts für mich, siehe Einleitung.

„Ganz anders“ als man es allgemein mit Flusskreuzfahrten assoziiert war die Klientel an Bord. Sehr viele junge (und einige ältere) Passagiere, zudem sehr viele, z.T. kleine Kinder. Mit – seit wenigen Wochen – Anfang 40 dürfte ich erstmals überhaupt zur älteren Hälfte der Passagiere auf einem Flussschiff gehört haben.

Nachdem Vegan Travel in diesem Jahr erstmals auch eine vegane Hochseekreuzfahrt – auf der „Columbus“ von Cruise & Maritime Voyages – angeboten hat, steht für 2018 neben einer Südamerika-Kreuzfahrt und mehreren Flussreisen auch ein Landurlaub auf dem Programm, für den in Italien ein ganzes Hotel gemietet wurde. Auch wenn vegane Ernährung für mich letztlich keine Perspektive ist, werde ich diese Entwicklung weiter interessiert verfolgen! :thumb:
Benutzeravatar
marcookie
2nd Officer
2nd Officer
Beiträge: 2905
Registriert: 28.12.2008 20:51

Re: Reisebericht Vegane Schnupperkreuzfahrt 10.-12.11.2017

Beitrag von marcookie »

Hi Raoul, vielen herzlichen Dank für Dein ausführlichen Bericht ! :thumb:
Benutzeravatar
Digiman25
3rd Officer
3rd Officer
Beiträge: 739
Registriert: 26.08.2014 20:05
Wohnort: das schöne Lipperland

Re: Reisebericht Vegane Schnupperkreuzfahrt 10.-12.11.2017

Beitrag von Digiman25 »

Danke für den interessanten Bericht einer besonderen Reise - und hier meine ich nicht das Schiff. So eine (Kurz-)Reise ist eine prima Gelegenheit, sich ausführlich mit der veganen Lebensweise zu beschäftigen und bringt sicher mehr, als im nächsten Supermarkt wahllos mal ein veganes Produkt zu kaufen (was bei mir oft in einen schlechten Fleisch- oder Käseersatz endet).
Unabhängig vom Thema "vegan" ist mir allerdings aufgefallen:
Etwas unpraktisch ist, dass die Toilette so angeordnet ist, dass jemand, der darauf sitzt, die nach innen öffnende Tür blockiert.
Dies kann zu einem echten Problem bei einem Schwächeanfall o. ä. werden. Dies habe ich einmal in einem Hotel erleben müssen. Die Rettungskräfte hatten Mühe, den kollabierten Gast im Bad zu erreichen, ohne ihn durch die Tür weiter zu verletzen. Das Hotel tauschte danach im Laufe von Renovierungsarbeiten die Türen zum Bad. Die neuen Türen sind Schiebetüren oder öffnen nach außen.

Gruß aus Lippe
Walter
Benutzeravatar
fneumeier
Staff Captain
Staff Captain
Beiträge: 11795
Registriert: 06.11.2007 13:58
Wohnort: München
Kontaktdaten:

Re: Reisebericht Vegane Schnupperkreuzfahrt 10.-12.11.2017

Beitrag von fneumeier »

Raoul,

Du solltest doch wissen, dass spontane Änderungen der Wagenreihung ohne Ankündigung zum Sportprogramm der Deutschen Bahn gehören. Sie ist nur darum bemüht, dass ihre Kunden auch ausreichend Bewegung erhalten :D !

Ansonsten habe ich den Bericht gleich mal in die Liste eingefügt.

Gruß

Carmen
christian E
4th Officer
4th Officer
Beiträge: 377
Registriert: 20.11.2008 18:50

Re: Reisebericht Vegane Schnupperkreuzfahrt 10.-12.11.2017

Beitrag von christian E »

Schöner Bericht Raoul - und für das Thema Anreise mit der Deutschen Bahn kann man glaube ich mehrere eigenständige Foren im www eröffnen - und leider wird sich die Situation durch den Wegfall von Air Berlin auf den Langstrecken der Deutschen Bahn wohl in absehbarer Zeit nicht verbessern :mad: . Leider gibt es da zuwenig Alternativen

Ich habe bislang schon vier erlebnisreiche aber auch sehr entspannte Reisen mit Vegan Travel gemacht und kann deine "Erlebnisse" hinsichtlich des (sehr jungen) Klientel aber auch des Essens nur bestätigen: Eine Tofuplatte pur gebraten schmeckt aber eher nach Schuhsohle (geht gar nicht) - aber: Es gibt soviel andere Möglichkeiten, dass wir bei uns in der Küche auf Tofu (bis auf ein paar ganz geringe Ausnahmen) verzichten. Ich finde es immer wieder interessant, wie creativ die Köche inzwischen sind, um eben nicht nur Tofu zu servieren und es geht sehr gut. Nur eben sind vegange Hauptgericht selten low carb, das merkt man dann vor allem an den wirklich leckeren veganen Desserts und Kuchen - auch ohne Eier und Butter zubereitet - sind die leider seeeeeehr kalorienhaltig aber einfach total lecker. :)

Eine Frage noch zum Abendprogramm: Eigentlich gehört da am letzten Abend noch die Karaokeshow dazu, zumal der Münsteraner Veranstalter ein aktiver Fan dieses "Singvergnügens" ist :wave:

Christian
Benutzeravatar
Raoul Fiebig
Captain
Captain
Beiträge: 30710
Registriert: 07.09.2007 15:52
Wohnort: Paderborn/Ludwigsfelde
Kontaktdaten:

Re: Reisebericht Vegane Schnupperkreuzfahrt 10.-12.11.2017

Beitrag von Raoul Fiebig »

Hallo Christian,

wir sind ja am letzten Abend erst spät in Köln angekommen und viele wollten (da 11.11.) noch raus in die Stadt. Entsprechend war wohl auch für das Quiz die Nachfrage schon geringer als normal. Ob danach dann noch Karaoke stattgefunden hat, weiß ich, ehrlich gesagt nicht, weil es mich dann ins Bett gezogen hat. Im Programm stand jedenfalls nichts davon. ;)
Antworten