HelgeK hat geschrieben: ↑12.04.2024 11:47
Wie würdest du es denn formulieren?
Ich würde es so überhaupt nicht formulieren, da ich eine andere Ansicht vertrete.
Es geht ja schon damit los, dass Du offenbar Gäste, die die Aufenthaltsdauer gänzlich "ausreizen" (also so wie ich das verstehe um 16:30 Uhr an Bord gehen, wenn die kommunizierte "All-Aboard-Time" bei einem Auslaufen um 17:00 Uhr ist) als "rücksichtslos" bezeichnest. Ich vertrete die Meinung, dass das ihr gutes Recht ist und man generell im Leben die Zeit die einem zur Verfügung steht auskosten darf.
"Zu-spät-Kommer" sind für mich (als ehemaligem Reiseleiter) definitiv nicht per se rücksichtslos. In der Regel sind sie eher etwas verpeilt, unaufmerksam, orientierungslos, naiv oder haben über den Durst getrunken. Sie sind nicht grundsätzlich Missetäter, die durch egozentrisches Verhalten anderen den Urlaub verderben wollen - und dementsprechend rigoros und aus Prinzip sanktioniert gehören. Wie beispielsweise durch auf die Sekunde pünktliches Ablegen ohne Not.
Dieses ist in meinen Augen in der Kreuzfahrt nur dann geboten, wenn es im jeweiligen Einzelfall zwingende operative Gründe dafür gibt: enger zeitlicher Korridor (z.B. Fahrpläne die Maximalgeschwindigkeit erfordern, Schleusenzeiten, Dienstzeiten von Lotsen & Hafenpersonal etc.) und Sicherheit (z.B. Wellengang und (Un-)Wetter). Mit der im Schienen- und Luftverkehr erforderlichen Präzision im Timing ist es jedoch nicht vergleichbar. Der Job eines Kreuzfahrtkapitäns erfordert neben umsichtiger Schiffsführung auch zwischenmenschliches Fingerspitzengefühl als Gastgeber. Wer dagegen seine Freude daran hat, Verspäteten eine Lektion zu erteilen indem man ihnen grundsätzlich vor der Nase wegfährt, sollte imho den Job wechseln. Gleiches gilt auch in anderen Jobs wie z.B. Schulbusfahrer, die im Rückspiegel rennende Schüler wahrnehmen. Im Zweifel immer für den Angeklagten.
Die "Zu-spät-Kommer" sind sowieso schon genug gestraft: durch johlende Kreuzfahrer, durch die finanzielle Belastung der Reisekasse fürs Nachfahren bzw. -Fliegen, keine Wechselunterwäsche (für mich die Höchststrafe), als unfreiwillige YouTube- oder TikTok-Stars etc. ...
@HelgeK: Was meine Missetat im konkreten Fall betraf: ein Bergsträßchen in den Monti Lattari hinter Ravello war von einem Bergrutsch betroffen, Wartezeit im Stau laut meinem Dialog mit den Einheimischen mindestens 2 Stunden. Also zurück zur Amalfitana und über Salerno nach Neapel in wilder Raserei, dabei Ankunftszeit berechnet (voraussichtlich 15 Minuten nach Ablegezeit) und auf der Jewel angerufen - wobei wir uns zunächst telefonisch via Miami identifizieren mussten. Antwort des Kapitäns, "Okay, es werden eh nicht alle Ausflüge zur All-Aboard-Time da sein, kommen sie, aber so schnell sie können und bauen sie keinen Unfall". Nun die Frage: Unpassierbare Straße und Mietwagen ist ganz klar meine alleinige Risikosphäre, aber gehöre ich zu dem kleinen Prozentsatz Rücksichtsloser, dem man eine "Rote Linie" ziehen muss?
Viele Grüße
Andreas