Frachtschiffreisen

Hier steht das Schiff als solches im Mittelpunkt.
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FAUN
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Frachtschiffreisen

Beitrag von FAUN »

Frachtschiffreisen kommen hier relativ selten vor, ist auch verständlich in einem Kreuzfahrerforum. Vielleicht interessiert es doch den einen oder anderen? Ich möchte nur einige Eindrücke schildern, ansonsten wurden hier schon Beiträge gepostet, die, wenn auch schon älter, ihre Gültigkeit behalten haben. Wir machten vor 2 1/2 Jahren eine "Schnuppertour" mit der "MS Vera Rambow" (für die IMO-Nr.-Sammler IMO 9432220), vermittelt durch Frachtschiff-Pfeiffer, eine 11 Tagesreise nach Finnland.

Die Tour ging HH-NOK-Kotka-Rauma-NOK-BHV-HH. Ursprünglich waren statt HH, Kotka und BHV die Häfen Rotterdam und Helsinki geplant, die Änderung erfolgte etwa 14 Tage vor der geplanten Abfahrt. Uns kam dies insofern entgegen, da das Anbordgehen in Rotterdam für uns einen Besuch bei der Wasserschutzpolizei erfordert hätte und wir in Helsinki in Vuosaari, etwa mit dem Taxi 40 min. bzw. 50 €/Tour östlich von der Stadtmitte, angekommen wären.

Wir fuhren mit dem Auto nach HH, in Hannover rief ich per Handy den Kapitän an, wo genau er mit seinem Schiff liege. Er sagte mir, wenn wir uns beeilten, dann wären sie in Altenwerder, ansonsten müßten wir zum Eurogate in Waltershof kommen. Da die Zeitvorgabe reichte, fuhren wir nach Altenwerder, parkten in dem Parkhaus und gingen zum Pförtner, der erkundigte sich noch beim Schiff und dann brachte ein VW-Bus uns zur Gangway, für Fußgänger ist der Hafen, wie überall, verboten. Ein Matrose trug die Koffer an Bord, der Chief Mate (1. Offz.) begrüßte uns und zeigte uns unsere Kammer, wenn ich mich richtig erinnere auf dem C-Deck steuerbords nach achtern. Die Kammer bestand aus einer Art Wohn-Arbeitsraum und einem Schlafraum. Sie figurierte auch als Eignerkammer, entsprach in der Größe etwa der des Chiefs (Leit. Ing.). Anschließend meldeten wir uns beim Kapitän auf der Brücke, das Verholen stand ja an. Allerdings war noch etwas Zeit, es fehlten noch Container und der Hafenlotse war auch noch nicht an Bord. Etwa 1 1/2 Std. später ging es los.
FAUN
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Re: Frachtschiffreisen

Beitrag von FAUN »

Fortsetzung:
Das Schiff mußte drehen,. Da es mit einem Bugstrahlruder ausgestattet ist, geschah dies fast auf der Stelle. Dann ging es unter der Köhlbrandbrücke, einem Elbstück zum Eurogate. Zeitlich war es so, daß wir etwa 13.00 an Bord gingen, 15.00 verholten und 16.00 wieder fest waren (alles ca.-Zeiten). In der Nacht (03.00) wurde wieder verholt, zum Buchardkai. Dieser ist aber nur die andere Seite des Hafenbeckens, deshalb wurde vierkantverholt, also das Schiff versetzte nur seitwärts nach backbord. Hierzu lag das Ruder hart, das Bugstrahlruder brachte das Vorschiff rüber. Alles natürlich unter Begleitung eines Hafenlotsen. Hier war das Laden gegen 09.00 bendet. Dann folgte auch gleich das Auslaufen. Der Hafenlotse ging von Bord, der Elblotse kam. Diese haben eine Eigenart, bei jedem Entgegenkommer stürzen sie in die Nock um ihren Kollegen auf dem anderen Schiff zu begrüßen. Die Vera Rambow hat geschlossene Nocks, also in die Brücke integriert, da ist es nicht ganz so spektakulär wie bei den offenen Schiffen.

Obwohl wir im Plan lagen, mußten wir vor Brunsbüttel ankern. Dadurch liefen wir erst am frühen Nachmittag in den NOK ein. Man liegt, je nach Schiffsgröße, mit mehreren Schiffen in der Schleuse. Das uns folgende Schiff nutzte die Gelegenheit die Schleusenwand mit dem Bug stark zu touchieren, angeblich sei das Buchstrahlruder ausgefallen. Jedenfalls durften sie erst einmal festmachen und die Wasserschutzpolizei ging an Bord. Es sah deshalb auch so spektakulär aus, weil es ein Chemikalientanker war (allerdings im Balast).

Dieser Vorfall führte dazu, daß meine Frau eine Kopie eines Böschungsberührungsscheines erhielt. Als wir in der Ostsee waren, sprachen wir mit dem Kapitän noch einmal über den Vorfall, dabei kamen wir auch auf den möglichen Verwaltungsaufwand zu sprechen. So meinte der Kapitän, es gäbe dazu ein Formular, besagter Böschungsberührungsschein eben. Wir hielten dies, bei allem Zutrauen zur deutschen Bürokratie, für einen seemännischen Scherz. Jedenfalls beharrte der Kapitän darauf und versprach einen zu besorgen. Bei der Rückreise kam in der Schleuse Holtenau in Kiel der Kanallotse mit seinem Kanalsteuerer an Bord. Es war zwar nicht das Erste, aber doch sehr zeitnah, daß der Kapitän in nach diesem Zettel fragte. Tatsächlich holte der Lotse aus seinen Unterlagen diese Bescheinigung hervor, da es die letzte war, machte der Kapitän entsprechende Fotokopien. Daß der Zettel authentisch war, zeigte allein die Tatsachen, daß Kiel noch eine 4-stellige Postleitzahl hatte. Wer, außer deutschen Behörden, würde sonst alte Formulare aufbrauchen?
FAUN
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Re: Frachtschiffreisen

Beitrag von FAUN »

Fortsetzung:
An Bord waren der Kapitän, der Chief und ein Matrosenlehrling Deutsche, der Chief Mate war Weißrusse, der Rest Philippinos. Gekocht wurde für die Offz.-Messe deutsch, für die Mannschaftsmesse philippinisch/asiatisch. Mit uns reiste noch eine Dame, sie hatte die Kammer des Elekt.-Ing., den es aber gar nicht gab. Wir waren insgesamt 18 Personen an Bord, es wären also noch einige gegangen, da das Rettungsboot, so ein Heckrutscher, für 25 ausgelegt war.

Bei dem Essen wunderten wir uns, es war nämlich immer wie zu einem Schaukochen arrangiert. Bis wir die Lösung fanden. Der Chef (also der Koch) kochte nach einer englischen Ausgabe eines Dr. Oetker- Kochbuchs, stilecht wie aus dem Kasten für den kleinen Chemiker. Die Teller wurden dann entsprechend der Fotos dekoriert, wie es aber genau schmecken sollte, wußte er nicht oder nicht so genau. Jedenfalls gab er sich wirklich mit dem Essen alle Mühe, wahrscheinlich wäre es uns mit einer Garküche auf den Straßen Manilas auch nicht besser ergangen.

Ansonsten sind es ca. 1 1/2 Seetage vom Auslaufen NOK/Schleuse Holtenau bis Kotka. Da der Kapitän ein Lotsepatent hatte, brauchten wir in der Kieler Förde keinen Lotsen. Hinter dem Marineehrenmal in Laboe in etwa geht es auch auf Reisegeschwindigkeit. In der Kadetrinne, also Höhe Rostock, kam uns ein Costa-Schiff entgegen, da ich damals noch nicht hier Mitglied war, habe ich nicht so genau darauf geachtet. Allerdings rief es Bemerkungen über einen gewissen italienischen Kapitän hervor. Wir debatierten auch darüber, ob es durch den NOK gehen würde, nach den AIS-Angaben in der e-Seekarte wollte es Kiel anlaufen.

An Getränken gab es Cola und dessen Ableger in der Kantine zu kaufen. Alkohol gab es nicht, es herrschte auch absolutes Alkoholverbot an Bord. Ansonsten konnte man Kaffee, Tee (heißes Wasser), Milch, Saft und Wasser in der Messe bzw. Pantry trinken und holen. Auf der Brücke gab es Kaffee, nur sollte man aufpassen, daß man nicht die Kapitänstasse erwischte.

Weil meine Frau und ich häufig die Position in der Seekarte kontrollierten und Schätzungen über sichtbare Landmarken abgaben, entwickelte sich daraus ein Ritual. Der Kapitän fragte dann mittags und abends beim Betreten der Messe immer die aktuelle Postion ab. Allerdings ließ er sich nicht überreden den Sextanten hervorzuholen. Angeblich ist er auf Schiffen unter deutscher Flagge Vorschrift, ob jetzt tatsächlich einer an Bord war, weiß ich also nicht.
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Re: Frachtschiffreisen

Beitrag von FAUN »

Kotka ist jetzt nicht die schönste Stadt Finnlands, würde sie eher am anderen Ende der Skala einordnen. Die Ansteuerung ist aber durch die Schären entsprechend schön. Hier gibt es nur einen Lotsen, man übernimmt ihn an der Schärengrenze und behält ihn bis an die Pier. Wir "parkten" zwischen 2 Frachtern wirklich elegant in eine Lücke ein. Der Kapitän hatte das Zusammenspiel zwischen Verstellpropeller und Bugstrahlruder richtig gut drauf. Während der gesamten Reise haben bis auf BHV keine Schlepperhilfe gebraucht.

Eine Hafendispatcherin nahm uns bis zum Hafentor mit und rief schon von unterwegs ein Taxi. Die Stadt ist nicht allzu weit entfernt, aber zu Experimenten mit dem ÖPNV hatten wir keine Lust. Zur Rückfahrt hatte uns der Taxifahrer eine Visitenkarte gegeben, es kam auch schnell ein Kollege von ihm. Wenn man den Schiffsnamen nennt, meldet er sich am Hafeneingang und bekommt ein gelbes Rundumlicht für das Autodach, und er setzt einen an der Gangway ab. Interessanterweise braucht man zum Telefonieren mit dem Handy nur die örtliche Nummer, die sonst notwendige Vorwahl von Land und Stadt entfällt.

Die Strecke nach Rauma liegt relativ dicht unter Land, allerdings haben wir einen Bogen um die Åland-Inseln gemacht. Bezüglich des Einlaufens lief es wie in Kotka ab. Im Hafen haben wir das Taxi direkt vom Schiff aus angerufen, kam dann nach einigen Minuten zur Gangway, zurück ging es dann ebenfalls wie in Kotka. Sehenswert ist Vanha Rauma, Alt-Rauma, mit seinen Holzhäusern. Ansonsten sollte man schon Finnlandfreund sein.
FAUN
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Re: Frachtschiffreisen

Beitrag von FAUN »

Fortsetzung:
Die Rückreise stand eher unter dem Zeichen des Indersonnesitzens. Neben Übungen des 2. Offz. als Rudergänger konnte man noch Mitläufer beobachten. Diese waren fast durchweg schneller, da wir eine feste Zeit für den NOK hatten. In der Kieler Förde liefen gerade die letzten Vorbereitungen zum Start der Kieler Woche, d.h. alle möglichen Segel- und Motorschiffe versuchten einzulaufen bzw. ihre Postion zu erreichen. Dabei zeigten sich verschiedene Segelkapitäne als Kenner der Seefahrtsordnung. Daß hier ein Containerschiff als Wegerechtschiff gelten kann und somit Vorrecht genießt, war ihnen wohl vollkommen fremd. Jedenfalls blieb nicht viel übrig, Kurs halten und das Typhon betätigen. Letzteres überließ der Kapitän dankenswerterweise meiner Frau. Diese frönte der Tuterei dann mit wachsender Begeisterung.

Nach dem NOK liefen wir Richtung BHV. Da der Liegeplatz belegt war, ankerten wir einige Stunden in der Wessermündung. Dies hatte zur Folge, daß wir bei ablaufenden Wasser einliefen. Als wir den Liegeplatz erreichten, es war wieder eine Lücke zwischen 2 Containerschiffen, hatte die Strömung, Ebbstrom und Fließgeschwindigkeit der Weser, ihr Maximum erreicht. Da die Strömungsgeschwindigkeit bei fast 7 kn lag, konnte zwar das Schiff auf Postion gehalten werden, aber nicht durch das Bugstrahlruder an die Pier gedrückt werden. Das Bugstrahlruder funktioniert nur bis 4-5 kn. Es mußte also ein Schlepper her, der das Schiff vierkant in die Lücke und an die Pier drückte. Hier wurde dann noch einmal verholt, aber nur einen Liegeplatz nach vorne. Dies wurde per Mooringwinden und Leinen gemacht.

In HH kamen wir am Burchardkai an, wir hätten an Bord bleiben können bis wir nach Altenwerder verholten, aber wir haben den Kleinbus zum Hafenausgang kommen lassen und sind mit dem Taxi nach Altenwerder gefahren. Das Parkhaus war übrigens kostenlos, ist aber nur für Mitarbeiter und Besucher.

Ich hoffe, der Bericht war, trotz Kreuzfahrtabstinenz, von Interesse. Die Maschine habe ich ausgeklammert, die Wäscherei ebenfalls. Ansonsten gaben wir dem Steward für seinen Service und dem Chef für die Realisierung des Kochbuchs ein verdientes Trinkgeld.
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Re: Frachtschiffreisen

Beitrag von henry »

Danke, FAUN, für diesen wikrlich interesssanten Bericht, super :thumb:
Die ausgeklammterten Teile kannst Du gerne noch "nachliefern", und wenn Du ein paar Fotos hast - gerne :)
Deiner Ausdrucksweise nach zu urteilen, ist Dir die Seefahrt ja nicht fremd - stimmt´s?
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Re: Frachtschiffreisen

Beitrag von Wendy »

Danke für den tollen Bericht - ein ganz anderes Reiseerlebnis. Gerne mehr davon!

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Re: Frachtschiffreisen

Beitrag von FAUN »

Vielen Dank für Euer Interesse, es ist eben ein Randthema und hier eigentlich nur durch den Status eines Passagiers an Bord mit der Kreuzfahrerei verbunden. Allein, daß der Kreuzfahrer eine Kabine, der Frachtschiffreisende eine Kammer bezieht, grenzt schon etwas ab. Zum Thema Wäscherei ist im Prinzip nicht allzuviel zu sagen. Es gibt auf den unteren Decks einen Raum in dem gewöhnlich 2 Waschmaschinen und ein Trockner stehen. Die eine Waschmaschine ist für die Arbeitskleidung u.ä., die andere dann für die normalen Sachen. Theoretisch kann man jederzeit waschen. Man muß nur eine freie Maschine erwischen. Es gibt die üblichen Vertreter, die morgens die Maschine anstellen und sich den ganzen Tag nicht darum kümmern, hier hilft nur ausleeren in einen Wäschekorb und weitermachen. Einen Tag in der Woche sind die Maschinen gesperrt, hier wäscht der Steward die Bettwäsche, Tischtücher usw. Der Steward ist für die Offz.-Messe und die Reinigung der Offz.-Kammern zuständig, daher also auch die Wäschereiordnung. Andererseits braucht man auch keinen großen Kleidervorrat mitzunehmen. Es steht auch Waschpulver zur Verfügung, eher aber von der rustikalen Sorte. Feineres Pulver muß man selber organisieren, gibt es aber auch in der Kantine.

Die Messetische haben entweder ein kleines Süll oder einen Rahmen, den man um 180 Grad drehen kann und somit diesen Rand herstellt. Zusätzlich werden die Tischtücher genäßt, damit bei rauher See nichts herunterrutschen kann. Sollte der Seegang es erfordern, können die Sessel/Stühle mit Spannschrauben am Boden befestigt werden. Es ist also nicht so, daß man immer dann einen Löffel Suppe nimmt, wenn der Teller gerade vorbei kommt. Wobei man bei der Suppe lieber 2 mal nehmen sollte, bevor man riskiert das ein Teil überschwappt und auf dem Tischtuch landet. Allerdings brauchte niemand zu solchen Mitteln greifen, die Ostsee zeigte sich von ihrer besten Seite.
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