Hallo allerseits,
hier war ja ordentlich was los während meiner Abwesenheit - was ja fast zu erwarten war. Kommt mir langsam so vor wie die Costa-versus-MSC-Fraktion im "alten Forum" so in den Jahren 05-07...
Wir haben gestern die Celebrity Silhouette nach 15 Nächten Transatlantik in Civitavecchia verlassen, unsere 12-Nächte-Reise mit der Ruby Princess endete im November, wir haben keine Aktien beider Konzerne. Daher kann ich für mich in Anspruch nehmen, neutral zu sein.
Und im Grunde bleibe ich bei meiner Meinung von Seite 1 dieses Threads: Celebrity hat mit der Solstice-Class die überlegene Hardware - Princess hat die bessere Software.
Ein paar Einschätzungen, was sich bei X im Vergleich zu meinen letzten längeren Reisen verbessert bzw. verschlechtert hat, auch in Ergänzung zu meinem Ausgangsbeitrag. Erst das Positive:
1. Kommerz: Hier kritisierte ich, dass X an Bord offensiver nach dem Geld seiner Passagiere trachtet als P, insbesondere mit einer Überfülle von Ramschartikeltischen, die auf Equinox und Constellation derart die Verkehrsflächen zustellten, dass der Passagierfluss behindert wurde. Das hat sich deutlichst gebessert! Diese Aktionen gab es zwar noch, wurden aber wie bei P und Cunard dezenter durchgeführt. Generell war die Shoppingatmosphäre auf der Silhouette geschmackvoll und edel, man setzt nun weniger auf den schnellen $, sondern eher auf die große Investition. So befinden sich Flagship-Stores von Omega, Breitling und - neu - Bulgari an Bord, wo man von tollem Personal beraten wurde und zu unschlagbarem Preis wahre Preziosen erstehen konnte. Gelingt es X in dieser Saison, viele Italiener auf Silhouette und Reflection (die hat die gleichen Stores) zu locken, dann ist der Erfolg garantiert.
2. Verkaufsdruck des Personals: Auch dieser ist bei X nicht mehr vorhanden. Das Barpersonal war (auch wenn man mal nichts trinken wollte) extrem freundlich, entspannt, sehr kompetent und hatte sicht- und fühlbar Spaß bei der Arbeit. Sicher auch ein Verdienst des herzlichen französischen Hoteldirektors Christophe, dem gottseidank die eiskalte, aufgesetzte Art eines Simon Weir völlig abging. Auch die in ihrer Anzahl deutlich reduzierten Sommeliers waren kein lästiges Ärgernis mehr, sie bemühten sich sehr, den gewünschten Wein zu beschaffen und schwatzten einem nichts mehr auf. Die Tische im Hauptrestaurant präsentierten sich auch wieder frei von irgendwelchen Weinwerbeflyern. Offenbar hat man bei X gemerkt, dass mit Wein nicht der große Reibach zu machen ist (die meisten Amis trinken sowieso nur Wasser zum Essen) und nun konsequent gehandelt. Interessant, dass man nun auf der Equinox den Rohrkrepierer "Cellar Masters" wieder entfernt (leider bringt das die schöne alte Champagne- und Martinibar auf der M-Class auch nicht wieder zurück).
Hier wird es neutral:
3. Entertainment: Das hat sich deutlich geändert, teilweise in Richtung Princess. Positiv ist zu werten, dass die Position Cruise Director nicht mehr mit einem aalglatten Schwiegermuttertraum besetzt wurde, der seine Aufgaben routiniert "wegmoderiert", sondern mit einem witzigen und schlagfertigen jungen Südafrikaner (unterstützt durch einen coolen, ironischen Briten), der es fast mit den rotzfrechen australischen bzw. britischen Kollegen auf Ruby Pr. bzw. Oceania Riviera aufnehmen konnte. Hätten wir solche Talente in Deutschland nur ansatzweise, wäre die Zukunft von "Wetten dass..." für Jahre gesichert gewesen.
Auch das Niveau der Gast- und Solokünstler zeigte sich insgesamt stark verbessert, teilweise mit erstaunlich jungen Künstlern, mit großem Gesangstalent und subversivem Humor. Die Show "Britain's got Talent" lässt grüßen. Natürlich gab es für die älteren Amerikaner dennoch den unvermeidbaren Teufelspianisten, den FrankS-NeilD-und-DeanM-imitierenden Schmonzettensänger sowie das Gesangsquartett, das unbedingt "Nessun Dorma" trällern musste. Habe ich durchaus Verständnis für, vielen gefällt es und diese Leute sollen auch ihr Geld verdienen.
Die Production Shows waren unausgewogen und kamen nicht an Princess heran. An den Künstlern lag es nicht, die waren sehr gut. Aber die Inszenierungen der Broadway-Show ("Wie viele verschiedene Musicals bringe ich in 50 Minuten unter?") und von "Velocity" mit der Musik von der Festplatte (die leider hakte...) ließen sehr zu wünschen übrig. Bei "Velocity" sollte das Publikum wohl mit der vollen visuellen Power der gewaltigen Bühnentechnik der Silhouette geradezu sediert werden - die Künstler hätte man durch Riverdance-tanzende Roboter ersetzen können, ähnlich dem (lächerlichen) bunten Springbrunnen der Royal Princess. "Silhouette - The Show" dagegen sensationell, mit talentierten Gauklern, Akrobaten und den Sängern und Tänzern ein Augen- und Ohrenschmaus im Stil des Cirque du Soleil.
Zur Musik: Die Party Band "Smart Casuals" war die bislang beste bei X, allerdings immer noch weit von "Best in Class"
entfernt, diese habe ich - bislang - mit der "Atomic Band" auf der Ruby erleben dürfen. Als zuletzt die Sängerin der Smart Casuals erkrankte, kamen sie aber in arge Nöte und mussten Auftritte absagen. Zwei großartige kleinere Bands waren an Bord: ein italienisches Akustiktrio sowie ein brasilianisches Jazzquartett. Dazu der X-typische, gute Sologitarrist und -sänger. Jedoch: Die singenden Pianisten hat X offenbar in den Ruhestand versetzt (nun stehen auf der Silhouette viele überflüssige Flügel herum) und die bislang markentypische A-cappella-Band in die Arbeitslosigkeit geschickt. Stattdessen Szene-DJs für die Coolen und Hippen an der Martini-Bar. Kein schöner Zug (auch gegenüber der älteren Generation), ich mag beide Genres und war ehrlich enttäuscht. Dazu herrschte rein anzahlmäßig Musikernotstand an Bord: Zwischen 18:30 und 19:00, also zur besten Aperitif-Stunde, gab es keinerlei musikalische Unterhaltung auf der riesigen Silhouette. Und ab Cagliari waren die jungen und hochtalentierten Italienerinnen auch ersatzlos und ohne Ankündigung von uns gegangen.
Übrigens: Der "Michael's Club", die frühere Pianobar und Cigar Lounge auf den meisten X-Schiffen (auf der Silhouette immer nur Bierbar) bleibt mit sofortiger Wirkung auf allen Schiffen der Flotte zu - außer man bewohnt eine der 3 höchsten Suitenklassen an Bord oder hat den Zenith-Status im Captain's Club Vielfahrerprogramm inne. Für diese "Chosen Few" ist er jetzt die private Lounge.
4. betrifft die Kulinarik. Aber dazu später mehr. Bis dahin...
Viele Grüße
Andreas