Mit Viking Truvor in Rußland

Nicht nur auf hoher See kann man die Annehmlichkeiten einer Kreuzfahrt genießen, sondern auch auf Flüssen, Seen & Kanälen
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luigi
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Mit Viking Truvor in Rußland

Beitrag von luigi »

„Viking Truvor“, 6. – 18.7.2012: Rußland

Hallo zusammen.
Und wieder ist eine schöne Kreuzfahrt zu Ende.
Vor 2 Jahren hatte ich ja schon einmal diese Reise auch mit diesem Schiff (damals hieß sie noch „Viking Kirov“) gebucht. Da seinerzeit allerdings die Waldbrände rund um Moskau gewütet hatten, hatte ich einen Tag vorher storniert.
Nach eineinhalb Jahren Rechtsstreit mit Viking, den Viking übrigens verloren hat, buchte ich sofort wieder. Trotzdem wieder Viking, weil ich wußte, daß die jetzige „Truvor“ z. Zt. das modernste Schiff auf der Wolga ist. Viking läßt sich das allerdings auch entsprechend bezahlen.
Ich wurde nicht enttäuscht. Da wir unterwegs immer wieder mal im 2er oder 3er Päckchen lagen, hatte ich Gelegenheit, in die benachbarten Schiffe (alles sog. Boizenburger) reinzuschauen. Und was es da zu sehen gab, wunderte mich doch schon: so gab es in Restaurants oder Lounges billig aussehende Plastik-Stapelstühle, eingedeckte Tische ohne Tischdecke (nur mit Set-Deckchen, oder auch ohne) und auf den Sonnendecks auch einfachste Plastikmöbel. Daß es in den Bädern und den Kabinen ebenso einfach ausgestattet war, weiß ich ja z.T. hier aus dem Forum.
Da lob ich mir doch Viking und die Renovierung der „Kirov“. Die Ausstattung ist praktisch gleich wie auf den Viking-Schiffen auf Rhein oder Elbe. Sehr hell und modern, aber auch leider ohne Atmosphäre wie z.B. auf Swiss Tiara o.ä. Interessant ist allerdings, vermutlich durch die Grundkonzeption der doch schon relativ alten Schiffe, daß die Toiletten eine richtige Wasserspülung haben (wie an Land in Hotels) und nicht schscht und weg wie auf den anderen Schiffen :-)
Eben ganz modern und sogar mit Spartaste für das kleine Geschäft.
Wir hatten die Kabine 206 auf dem Hauptdeck. Das ist nicht ganz unten. Denn darunter und praktisch in Höhe der Wasserlinie befinden sich noch die Kabinen der Crew. Und ebenfalls am Bug und am Heck des Hauptdecks. Dadurch sind auch die billigsten Passagierkabinen sehr weit weg von Motor- und Anker-oder Bugstrahlruder-Geräuschen. So ruhig wie hier habe ich noch nicht auf den unteren Decks der anderen Flußschiffe gewohnt. Allerdings sind die Kabinen sehr hellhörig. Nicht in Bezug auf den Kabinengang sondern hin zu Nachbarkabinen. Hier hörte man tatsichlich jeden Husten oder auch den Fernseher.
Kabinenservice erfolgt (unsichtbar) morgens während des Frühstücks und abends während des Abendessens.
Und noch etwas Neues für mich als „Unten-Fahrer“: die großen Fenster (1m x 1,50m) konnte man halb öffnen. Man konnte die Scheibe halb runterschieben; so ähnlich wie bei den älteren Eisenbahnwaggons. Jedoch mußte man damit rechnen, daß andere Passagiere direkt vorm Fenster rumliefen. Denn die Boizenburger haben die schöne Konstruktion, daß man auf den beiden oberen Decks rundum laufen kann, auf dem unteren nur zur Hälfte. Und auf diesen Deck-Umläufen stehen überall Stühle, sodaß man auch seitlich sitzen kann.
Aber dieses wird sich leider bei der „Truvor“ und den beiden anderen „Helgi“ und „Ingvar“ im kommenden Winter ändern. Wie schon jetzt die „Rurik“ werden diese 3 dann auch komplett renoviert und umgebaut und mit Balkonen auf Mittel- und Oberdeck versehen. Wie das dann aussieht, ist schon jetzt auf einem Bild im 2013er Viking-Katalog auf Seite 40 zu sehen. Der Einbau von Balkonen ist aufgrund der umlaufenden Wege kein tiefgreifender Eingriff in die Grundkonstruktion der Schiffe. Es muß nur das Fenster verkleinert, eine Außentür in der Kabine und eine Trennwand draußen eingebaut werden.
Der eine oder andere mag es als Nachteil empfinden: an Bord gibt es praktisch keinerlei Unterhaltung wie z.B. Ratespiele, Live-Musik o.ä. Am Tag wurde der kommende Anlegehafen und die dazugehörigen Ausflüge von der Reiseleiterin vorgestellt und abends spielte in einer der beiden Bars ein Alleinunterhalter auf dem Klavier. Wer tanzen wollte, konnte dies. Aber auf unserer Reise wollte das offensichtl niemand. Das Publikum (Engländer, Deutsche, Franzosen) war wesentlich jünger als auf Rhein oder Donau, so ca. 60 Jahre im Schnitt.
Jeweils beim Frühstück, Mittag- und Abendessen machten nacheinander der Hotelmanager und der Maitre seine Runden und fanden an jedem Tisch ein passendes Wort. Also nicht nur Durchlaufen und gönnerhaft Nicken wie vielmals auf Hochseeschiffen. Der Chefkoch verdingte sich morgens selbst als Omelett-Bäcker. Auch der Kaptitän war nicht unnahbar und obwohl des Englischen und Deutschen nicht mächtig, bei Gelegenheit immer zusammen mit einem anderen Offizier (zum Übersetzen) offen für Fragen. An einem Tag wurde für alle Passagiere (in einzelnen Gruppen) eine Brückenführung mit dortiger Sprechstunde beim Kapitän durchgeführt. Ja, dieses Schiffe haben eine richtige Brücke quer übers Schiff und nicht nur ein Steuerhaus wie andere Flußschiffe. Jeweils rechts und links ist ein fest installierter Steuerstand vorhanden, von dem die Manöver in Schleusen und beim An- und Ablegen gefahren werden. Da es keine Brückennock gibt, beugt sich der Kapitän halt mal eben weit aus dem Fenster und sieht offensichtlich auch alles das, was er sehen muß.
Das Frühstück wird in Buffetform serviert und zwar mit einer enormen Auswahl: auf der einen Seite des Restaurants die gesunden Dinge wie Joghurt, Müsli und anderes, auf der anderen Seite die „nahrhaften“ wie Wurst, Käse, Brot usw.
Zum Mittagessen gibt es ein großes Salatbuffet mit einer frisch zubereiteten Speise, meist Pasta, wobei man zuschauen kann. Dazu kann man aus der Karte noch 3 andere Vor-,Haupt- und Nachspeisen auswählen, die wie im Restaurant an Land, dann an den Tisch gebracht werden. Und abends kann man sein Menü komplett aus der Karte bestellen. Es muß nicht am Vortag für den kommenden Tag bestellt werden. Sehr schöne Sache.
Es gibt keine feste Tischplatz-Regelung. Man kann sich jederzeit hinsetzen, wo man will. Natürlich pendelt sich das schon in den ersten Tagen ein und man läßt sich gern bei dann schon bekannten Gesichtern von dem gleichen Kellner servieren.
Zum Frühstück sind Säfte inclusive und natürlich Kaffe und Tee. Rund um die Uhr stehen im Vorraum vom Restaurant zwei große Kaffee-Automaten und eine Teebeutel-Auswahl bereit, aus denen man sich kostenlos bedienen kann.
Kostenloses Wasser steht auch auf der Kabine zur Verfügung. Und vor jedem Ausflug erhält man ebenfalls kostenloses Wasser zum Mitnehmen.
Im Verhältnis zu den Passagieren hat die „Truvor“ sehr viel Crew (206 zu 115), was man an einer sehr persönlichen Betreuung merkt. Im Service sind es ungefähr zu gleichen Teilen Russen und Philippinos, alle sehr freundlich, offen und hilfsbereit. So herzlich habe ich es noch auf keiner meiner Flußreisen empfunden.
Die Organisation der Ausflüge, die von Viking überwiegend in einem Ausflugspaket verkauft werden, war schlicht und einfach perfekt. Von der Pünktlichkeit der Durchführung, der Betreuung unterwegs bis hin zu den ausgesuchten Objekten war es einfach nicht zu toppen.
Am ersten Tag erfolgt eine Rettungsübung dergestalt, daß man sich mit angelegten Rettungswesten vor der eigenen Kabine trifft. Da stehen schon in den Gängen Crew-Mitglieder bereit, die sich das korrekte Anlegen der Westen ansehen. Über Lautsprecher werden dann die Verhaltensregeln im Notfall bekannt gegeben und man geht wieder zurück in die Kabine. Das war es dann.
Trotz des Ausflugspaketes konnte man in jedem Anlegehafen noch einen oder auch mehrere Ausflüge an Bord dazubuchen, die auch zeitlich nicht mit den anderen kollidiert sind. Wir buchten nur dazu: Busfahrt „Moskau bei Nacht“ mit Spaziergang übern Roten Platz und eine Kanalfahrt in St. Petersburg. Ist beides zu empfehlen.
Sehr beeindruckend bei dieser Reise war das Fahren mit einem Flußschiff übers offene Meer. Ich meine damit über den Rybinsk-Stausee (größter künstlicher Stausse: 4.500 qkm), den Onega-See (2.größter Binnensee Europas: 9.600 qkm) und den Ladoga-See (größter Binnensee Europas: 18.000qkm). So weit man gucken kann: kein Land zu sehen. Und dann noch Sonnenuntergänge wie am Mittelmeer, einfach Wahnsinn …
Seltsam auf den Flüssen Wolga, Svir und Neva: man sieht keinerlei Geflügel am Ufer keine Reiher, Kormorane, Enten o.ä.
Die Trinkgeldregelung ist folgende: an der Rezeption steht eine Box für allgemeine Trinkgelder. Es wird auch offiziell angesprochen, daß ein zusätzliches Trinkgeld an einzelne Crewmitglieder nicht verboten ist. Man kann also sehr frei entscheiden, was man tut.
Die Gesamt-Abrechnung erfolgt ohne Streß bereits am vorletzten Tag in bar oder mit Kreditkarte an der Rezeption. Danach wird beim Kellner bar bezahlt.
Das Wetter bei dieser Reise war sehr schön. Nur ein Tag Regen, ansonsten jeweils zwischen 25 und 28 Grad warm. Was will man in Rußland mehr…
Eines will ich noch sagen: Ich weiß nicht, wieviele Boizenburger noch im aktiven Dienst sind, aber ich glaube, ich habe sie alle gesehen :-)
Allein in St. Petersburg lagen in dem einen Hafen 6 und in dem anderen teilweise bis zu 18 Stück im 3er und auch 4er Päckcehn. Ein unglaublich beieindruckendes Bild, da es hierbei ja um optisch die gleichen Schiffe handelt. Sah aus wie auf einer Schiffs-Verkaufsmesse.
Zusammenfassend kann ich sagen: ich kann diese Reise jedem empfehlen, der mal was anderes als die Donau-Rennstrecke erleben will. Allerdings sollte man sich sehr genau über das auszuwählende Schiff informieren (siehe oben).
Es war wieder einmal eine wunderschöne Kreuzfahrt.
Gruß
Ludwig
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fneumeier
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Re: Mit Viking Truvor in Rußland

Beitrag von fneumeier »

Vielen Dank, Ludwig! Ich hab Deinen Reisebericht schon in die Übersicht aufgenommen.

Gruß

Carmen
luigi
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Re: Mit Viking Truvor in Rußland

Beitrag von luigi »

Danke, Carmen
Kruizefan
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Re: Mit Viking Truvor in Rußland

Beitrag von Kruizefan »

Danke Ludwig,
für deinen tollen Bericht.
Wir konnten diese grandiose Reise im letzten Jahr auf der einfachen Gen. Lavrinenkw machen. Die Landschaft und die Orte entschàdigen für die einfache Ausstattung des Schiffes.
Am 10. Oktober (ist da nicht schon der Ladoga See zu gefroren? :-() bietet Viking jetzt diese Reise mit der Truvor zum halben Preis an!
luigi
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Re: Mit Viking Truvor in Rußland

Beitrag von luigi »

Hallo
Zu dem evtl.Problem im Frühjahr oder Herbst mit Eis sagte man mir an Bord, daß dann u.U. ein russischer Eisbrecher vorausfährt und das Schiff hinterher. Man könnte auch bis 25 cm Eisdicke selbst durchfahren, tut das jedoch aufgrund der Sicherheit (es könnten ja doch mal dickere Eisschollen oder "geschichtetes" Eis dabei sein) und wegen dem dann auftretenden Lärm des an den Rumpf krachenden Eises nicht.
Gruß
Ludwig
christl
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Re: Mit Viking Truvor in Rußland

Beitrag von christl »

Hallo Ludwig,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht. Wir machen diese Reise im Juli und freuen uns, auch wegen Deiner Ausführungen, wahnsinnig darauf. Mir drängt sich jetzt nur noch eine Frage auf: Wie ist die Kleiderordnung auf dem Schiff?

Herzliche Grüße
Christl
luigi
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Re: Mit Viking Truvor in Rußland

Beitrag von luigi »

Hallo Christl
Da mußt Du Dir keine Gedanken machen. Es gibt faktisch keine Kleiderordnung. Natürlich gibt das Tagesprogramm entsprechende Empfehlungen. Aber mit einer Stoffhose und einem Sakko und vielleicht einer Krawatte für einen oder 2 "bessere" Abende bist Du sehr gut bedient. Geh so gekleidet zum Essen, wie Du auch an Land zum guten Italiener gehen würdest :-)
Etwa die Hälfte der Passagiere hatten sich abends etwas besser angezogen als tagsüber.
Auch ich fühlte ich mich so wohler als in den Jeans zum Mittagessen.
Gruß
Ludwig
christl
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Re: Mit Viking Truvor in Rußland

Beitrag von christl »

Hallo Ludwig,
herzlichen Dank für Deine Antwort. Ich dachte schon an Smoking und Abendkleid.

Viele Grüße
Christl
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