Reisebericht Oder/Ostsee 2010

Nicht nur auf hoher See kann man die Annehmlichkeiten einer Kreuzfahrt genießen, sondern auch auf Flüssen, Seen & Kanälen
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goll1
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Reisebericht Oder/Ostsee 2010

Beitrag von goll1 »

Hallo!

Nachdem ich jetzt mal wieder etwas Zeit gefunden habe, möchte ich über unsere Flußkreuzfaht
Berlin - Havel - Oder - Ostsee und zurück mit der Swiss Coral im September 2010 berichten.

Wir waren ja bereits im Frühjahr mit demselben Schiff auf der Elbe nach Dresden und Prag
unterwegs. Damals hat es uns so gut gefallen, dass wir auf diesem Schiff dann auch wieder
eine Route gebucht haben, die (noch) nicht so 'überlaufen' ist. Daneben hatten wir auch
wieder dieselbe Kabine, also: same procedure as every....

Zum Schiff selbst brauche ich nicht so viel zu sagen, das habe ich ja bereits im Reisebericht
zur Elbe-Kreuzfahrt abgehandelt. Das Personal war größtenteils gleich geblieben, man erkannte
uns auch (teilweise mit Namen!) wieder. Man merkte das sofort, wenn man auftauchte und das
Personal bereits griente. So etwas ist wahrscheinlich auch nur auf einem relativ kleinen Schiff
möglich, wo die Atmosphäre noch familiär und der Gast keine 'Nummer' ist. Bei 2 Positionen
gab es eine Auswechslung: ein neuer Küchenchef und ein neuer Restaurantchef, und auch
ein anderer Reiseleiter. Wobei ich erfahren habe, dass auch der Reiseleiter nicht
fest beim Reiseveranstalter beschäftigt ist, sondern in Form einer 'Ich-AG' arbeitet.

Die Menuefolge war praktisch identisch mit der im Frühjahr, aber dies ist wohl kein
Wunder, da in dieser kleinen Küche halt eben nur eine begrenzte Anzahl von Gerichten
möglich ist, auf die das Küchenteam auch 'eingespielt' sein muss. Als Änderung gab
es nur zusätzlich zu den 'Schaumsüppchen' jetzt immer auch eine klare Suppe. IMHO hätten
die Speisen etwas pikanter abgeschmeckt sein können, aber dies ist ja bekanntlich
Geschmacksache.

Tag 1

Die Anreise erfolgte wie üblich per Bahn zum ICE-Bahnhof Berlin-Spandau. Eigentlich
hätte das Schiff auch in Spandau (in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs) anlegen sollen,
aber wie bereits berichtet gab es dort wohl Klagen von Anwohnern und eine anstehende
Renovierung dieser Anlegestelle, so dass die Flußkreuzfahrtschiffe in Berlin jetzt
den Tegeler See anlaufen.

http://www.berlinonline.de/berliner-zei ... index.html

Am Bahnhofsausgang stand dann auch schon einer der Kellner bereit, der die Passagiere
für den Transferbus von Spandau nach Tegel 'einsammelte'. Einen sehr großen Nachteil
hat die Anlegestelle in Tegel: sie kann per Straße nicht angefahren werden (absolute
Fußgängerzone). Also keine Taxis, keine Busse, keine Anlieferfahrzeuge, nichts. Die
Passagiere müssen vom Bus einige hundert Meter bis zum Schiff laufen. Glücklicherweise
kam man auf die Idee, zumindestens Gepäckkarren zur Verfügung zu stellen, im Frühjahr
musste die Besatzung auch noch alle Koffer einzeln vom Schiff zum Bus schleppen. Ich
halte dies für eine politische Fehlentscheidung: wenn man schon Kreuzfahrttourismus
möchte, dann sollte man auch (zumindestens temporär) die Andienung der Schiffe erlauben.

Bei unserer Ankunft waren bereits die meisten anderen Passagiere an Bord, so dass das
Schiff bereits direkt nach Ankunft der Busgäste ablegte. Auch hier wieder die bereits
früher gemachte Erfahrung: das Schiff war meistens überpünktlich, man war also gut
beraten, eher immer etwas früher als im Fahrplan angegeben an Bord zu sein.

Die Swiss Coral am Tegeler See:

Bild



Tag 2a

Danach fuhr das Schiff dann noch bis spätabends durch (Marienwerder?), um frühmorgens
bereits in der Nähe des Schiffshebewerkes Niederfinow zu sein. Während des Frühstücks
wurde dann das Schiff im Schiffshebewerk vom Oder-Havel-Kanal zur Oder abgesenkt.

Einschub Schiffshebewerke:

Der ehemalige Hohenzollernkanal (jetzt: Oder-Havel-Kanal, Vorgänger: Finowkanal)
verläuft in seinem östlichen Teil als Scheitelhaltung, i.e. er ist höher angelegt
als das umgebende Gelände. Somit müssen die Schiffe hinunter zur Oder verbracht werden.
Zunächst geschah dies durch eine Schleusentreppe:

http://de.wikipedia.org/wiki/Schleusent ... iederfinow

Hier waren 4 Schleusen 'in Serie hintereinandergeschaltet', dieser Weg war jedoch
sehr zeitaufwendig und ließ keine größeren Schiffe zu. Also baute man parallel dazu
das (bereits ursprünglich geplante) Schiffshebewerk.

http://de.wikipedia.org/wiki/Schiffsheb ... iederfinow

Das Schiffshebewerk besteht aus einem gigantischen Stahlgittergerüst, welches als
Halterung für einen großen, wassergefüllten Trog dient. Man macht sich hier das
archimedische Prinzip zunutze: jedes Schiff verdrängt soviel Wasser, wie es selbst wiegt.
Somit ist der wassergefüllte Trog immer gleich schwer, egal ob mit oder ohne Schiff
beladen. Somit läßt sich das Gewicht des Troges durch (gleichschwere) Gegengewichte
aus Beton ausgleichen. Diese sind mit 256 armdicken Stahlseilen, die über große
Umlenkrollen oben auf dem Stahlgerüst geführt werden, mit dem Trog verbunden. Ausserdem
hängen an einigen dieser Gegengewichte noch dicke Gewichtsketten herunter, die das
Gewicht der Stahlseile selbst ausgleichen. Somit befindet sich der Trog praktisch
im Gleichgewicht, es muss also strenggenommen gar nichts gehoben, sondern nur
vertikal verschoben werden. Zur Überwindung der Reibung genügen 4 Elektromotoren mit nur
jeweils 55 KW Leistung. Diese sind mit Wellen untereinander verbunden und greifen über
Zahnräder in ein Innengewinde im Stahlgerüst ein. Die 36 m Höhenunterschied werden in nur
5 min. überwunden, die eigentliche 'Fahrt' erfolgt also erstaunlich schnell. Wesentlich
diffiziler ist die Ein- und Ausfahrt, da das Schiff genau auf die Trogabmessungen hin
konstruiert wurde und es nach vorne, hinten und den Seiten jeweils weniger als 1 m
Abstand sind.

Man sieht, es geht sehr eng zu. Der Träger in Bildmitte befindet sich gerade mal in Brusthöhe über dem Sonnendeck, links und rechts sieht man die Wellen, die die 4 Antriebsmotoren synchron halten:

Bild

Hier sind die schweren Betongegengewichte an den Stahltrossen zu sehen, die das Gewicht des Troges ausgleichen:

Bild

Dieses Bild zeigt am rechten Bildrand die Zahnstange, in die die Zahnräder zum Bewegen des Troges greifen. Der rote Pfeil markiert eine der Gewichtsketten, die als Gegengewicht für die vielen Stahltrossen dienen:

Bild

Ein Blick zum hinauf zum oberen Tor des Schiffshebewerks:

Bild

BTW: das Schiffshebewerk Magdeburg benutzt ein anderes Prinzip zum Gewichtsausgleich:
hier steht der Trog auf 2 großen Stahlgittersäulen. Diese 2 Säulen sind mit riesigen
Schwimmern verbunden, die sich in 2 wassergefüllten Kavernen im felsigen Untergrund
befinden. Diese Schwimmer erzeugen genau soviel Auftrieb, wie der Trog wiegt. Auch das
Schiffshebewerk Henrichenburg arbeitet nach diesem Prinzip. Mit dieser Bauweise
sind jedoch nur begrenzte Hubhöhen möglich, die Lösung Seil+Ausgleichsgewichte erlaubt
auch hier größere Höhenunterschiede zu überwinden.

Zwischen Schleusentreppe und Schiffshebewerk sieht man bereits die Kräne für ein
neues, noch größeres Schiffshebewerk. Damit soll der Kanal dann auch für
Großmotorschiffe befahrbar gemacht werden. Schleusentreppe und (altes) Schiffshebewerk
stehen aber unter Denkmalschutz und bleiben so weiterhin erhalten.

Auf der linken Seite das alte Schiffshebewerk mit der Vorlandbrücke, rechts daneben die Kräne für den Neubau eines größeren Schiffshebewerks:

Bild
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Gerd Ramm
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Re: Reisebericht Oder/Ostsee 2010

Beitrag von Gerd Ramm »

Sehr schöner Bericht bisher,danke, läßt mich von meiner Reise mit der "Rügen" 2005 träumen. Das Problem der alten Anlage ist ja die begrenzte Schiffslänge, das wird sich dann mit der neuen ändern. Im Bodden hatten wir dann "Seegang" und ich war erstaunt, was so ein Flussschiff mitmacht.
goll1
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Re: Reisebericht Oder/Ostsee 2010

Beitrag von goll1 »

shiplover2002 hat geschrieben:Sehr schöner Bericht bisher,danke, läßt mich von meiner Reise mit der "Rügen" 2005 träumen. Das Problem der alten Anlage ist ja die begrenzte Schiffslänge, das wird sich dann mit der neuen ändern. Im Botten hatten wir dann "Seegang" und ich war erstaunt, was so ein Flussschiff mitmacht.
Ja, die Reihe wird forgesetzt. Und beim alten Schiffshebewerk benötigt man die Treidelanlage, da man die (größtenteils) polnischen Schubverbände (Kohle für die Berliner Kraftwerke) nur in 2 Teilen heben kann, was natürlich einen erheblichen Zeitverzug bedeutet. Und auf dem Bodden war auch diesmal wieder der Seegang leicht 'grenzwertig'.

Viele Grüße,

- Karl-Josef
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Re: Reisebericht Oder/Ostsee 2010

Beitrag von goll1 »

Tag 2b

Nach der Passage des Schiffshebewerks lag das Schiff dann für ca. 2 Std.
in Oderberg. Ursprünglich war geplant, hier die Passagiere für den Ausflug
ins Kloster Chorin an Land gehen zu lassen. Allerdings hatte die Reiseleitung
von diesem Ausflug eher abgeraten und es gab auch ein technisches Hindernis,
von dem ich später berichten werde. So fand der Ausflug also nicht statt und
man konnte sich Oderberg anschauen. Ich hoffe, es nimmt mir niemand übel,
aber wenn man mich fragen würde, wo sich 'Fuchs und Hase gute Nacht sagen', da
wäre Oderberg ein heisser Kandidat....

Die Swiss Coral vor Anker in Oderberg:

Bild

Die Hauptstr. in Oderberg:

Bild

Weiter ging es dann in Richtung Hohensaaten. In Hohensaaten 'gabelt' sich praktisch
der Wasserweg. Einmal kann man die Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße und im
Anschluss die Westoder befahren, oder aber die Ostoder. Dazu gibt es dann dort
eine West- und eine Ostschleuse.

http://de.wikipedia.org/wiki/Hohensaate ... tra%C3%9Fe

Da die Westschleuse wegen Wartungsarbeiten gesperrt war, blieb nur noch die
Ostschleuse offen. Somit gab es auch nur noch die Ostoder als Schiffahrtsweg
und der Stop in Schwedt (an der Westoder) fiel aus (und somit auch Schwedt als
Wiedereinstiegspunkt für den Ausflug). Zur Übernachtung legte das Schiff dann
auch nicht in Schwedt, sondern in Stettin an.

Eisenbahn-Hubbrücke auf der Ostoder:

Bild



Tag 3

Ursprünglich sollte Wolin (Ort auf der gleichnamigen Insel) erst am Mittag
erreicht werden, um dann nachmittags dort den Ausflug durchzuführen und am
Abend dort zu übernachten. Aufgrund von eher negativen Erfahrungen bei vorherigen
Übernachtungsstopps in Wolin hat das Schiff aber dann schon sehr früh
morgens Stettin verlassen, um den Ausflug bereits morgens stattfinden zu lassen.

http://maps.google.de/maps?f=q&source=s ... 9&t=h&z=17

Von Wolin ging es per Bus zunächst einmal zurück aufs Festland und dort zur
Besichtigung der (Kon-)Kathedrale in Kamien Pomorski.

http://de.wikipedia.org/wiki/Kathedrale ... omorski%29

Die Kathedrale in Kamin:

Bild

Nach dem 2. Weltkrieg gelangte die Kirche wieder vom der Evangel. Kirche in
dem Besitz der Kathol. Kirche. In der Erzdiözese Stettin-Cammin dient sie
nun als zweiter Bischofssitz neben Stettin. Bekannt ist die barocke Orgel
in der Kathedrale. Weiter ging die Fahrt zurück auf die Insel Wolin nach
Miedzyzdroje. Miedzyzdroje ist quasi das poln. Pendant zu den Kaiserbädern
auf Usedom. Obwohl schon sehr viel restauriert und erneuert wurde, sieht
man doch den Unterschied zu den Kaiserbädern auf Usedom, da es in Polen
halt keinen 'reichen Onkel aus dem Westen' gab.... Auf der Rückfahrt gab
es dann noch einen kurzen Stopp an einem der Türkisseen. In den ehemaligen
Kreidegruben hat sich Wasser angesammelt, welches durch Reflektion einen
geheimnisvollen türkisfarbenen Schimmer annimmt.

Der Eingang zur Seebrücke in Miedzyzdroje. Man sieht, es wird noch fleissig gebaut:

Bild

Die Türkisfarbe des Sees läßt sich in etwa erahnen:

Bild

Gegen Mittag hiess es dann wieder 'Leinen los' und die Swiss Coral nahm
Kurs über das Stettiner Haff nach Wolgast. Dabei kam uns auch wieder
(wie bei der Frühjahrsfahrt) die MS Johannes Brahms entgegen. Man sieht
sich halt eben immer zweimal...

Aufgrund der frischen Brise verlief die Fahrt jedoch etwas 'holprig'. Auf
dem Weg wurde dann die (ehemalige) Hubbrücke bei Karnin passiert.

http://de.wikipedia.org/wiki/Hubbr%C3%BCcke_Karnin

An einer Engstelle hatte man diese Eisenbahnbrücke zur Verbindung
der Insel Usedom in etwa gleichzeitig mit dem Schiffshebewerk Niederfinnow
errichtet. Dabei wurde auch das gleiche Bauprinzip angewendet, i.e.
der Hubteil der Brücke hängt in einem großen Stahlgittergerüst und
das Gewicht wird über Stahlseile und Gegengewichte ausgeglichen. Gegen
Ende des zweiten Weltkrieges wurden die festen Brückenteile gesprengt,
der Hubteil blieb jedoch bis heute als techn. Denkmal erhalten und bildet
so das 'Tor zur Insel Usedom'.

Die (Reste der) Hubbrücke in Karnin. An den 4 Stützen sieht man unten die Beton-Gegengewichte für das Hubteil hängen:

Bild


Der Übernachtungsstopp wurde dann in Wolgast angelegt. Hier gab es auch die
Möglichkeit, Frischwasser zu bunkern und 'Landstrom' zu beziehen. Zunächst
lief noch der Dieselgenerator (Spülmaschine in der Küche), dann wurde es kurz
dunkel auf dem Schiff während auf Landstrom umgeschaltet wurde. Das war eine
herrlich ruhige Nacht, da gar kein Aggregat mehr lief. Morgens um 6:00 Uhr
wurde dann der Schiffsgenerator wieder gestartet: das Frühstück stand in
der Küche an.

http://maps.google.de/maps?f=q&source=s ... 9&t=h&z=18

Das Schiff im Hafen von Wolgast:

Bild


Einschub Landstrom:

Die beiden größten Stromverbraucher auf neueren Flusskreuzfahrtschiffen dürften
die Küche und das Bugstrahlruder sein, wobei letzteres manchmal auch von
einem Hilfsdiesel betrieben wird. Auf älteren Schiffen wurde manchmal auch mit Gas
gekocht, an Deck sah man dann große Blechkisten für die Gasflaschen. Gemeinhin wird
wohl der Strombedarf von modernen Schiffen gewaltig unterschätzt, in Wolgast
reichte der Landstrom gerade mal für die Beleuchtung un die Lüftung. Alle
anderen Großverbraucher erfordern wohl wieder den Dieselgenerator.

Eine fast unendliche Geschichte war auch das Kapitel 'Landstrom' bei uns am
Moselkai. Viele Anwohner hatten sich über die Dieselgeneratoren in der Nacht
beschwert. Dies kann ich gut nachvollziehen, ich wollte während der Saison
auch nicht jede Nacht den Lärm und die Abgase von bis zu 10 Kreuzfahrtschiffen
direkt unterhalb meines Schlafzimmerfensters haben.

Die Stadt legte also an die Landungsstellen jeweils ein (daumendickes) Drehstromkabel,
wobei der Strom von den normalen Bodenkabeln 'abgezweigt' wurde. Hehehe....
So etwas reicht evtl. für eine Motoryacht, aber für kein Kreuzfahrtschiff und
schon gar nicht für mehrere. Nach einigen Jahren dann der nächste Versuch: an
jede Anlegestelle wurde ein Verteilerkasten montiert, für die Versorgung der
Verteilerkästen wurde eine eigene Trafostation angezapft. Hihi.... Wieder
natürlich viel zuwenig Saft für die Schiffe. Mittlerweile wurde wieder einige
Jahre später unter sehr hohem Aufwand 'Version 3 reloaded' gebaut: jede einzelne
Anlegestelle hat jetzt unterirdisch(!) ihre eigene Trafostation, die abführenden
Kabel haben fast die Dicke eines Unterarms. Mal sehen, ob es jetzt reicht...
goll1
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Re: Reisebericht Oder/Ostsee 2010

Beitrag von goll1 »

Tag 4

Nachdem die Ausflügler für die Inselrundfahrt auf Usedom das Schiff verlassen hatten,
blieb dieses noch bis 10:30 Uhr in Wolgast vor Anker liegen, so dass man noch Zeit
hatte, die Altstadt von Wolgast zu besichtigen.

Der Marktplatz von Wolgast:

Bild

Die Hubbrücke von Wolgast zur Insel Usedom, parallel für Auto und Eisenbahn:

Bild

Um 12:00 Uhr erreichte das Schiff dann Peenemünde, wo auch die Ausflugsgäste wieder zum Mittagessen zustiegen.

http://maps.google.de/?ie=UTF8&ll=54.13 ... 7&t=h&z=16

Peenemünde selbst hat nur 336 Einwohner und ist - man möge es mir verzeihen -
eigentlich nicht unbedingt der Re(e)de wert. Interessant sind dort vor allem
die 4 Museen.


1.) das Historisch-Technische Museum Peenemünde

http://www.peenemuende.de/

Hier kann man eine Dokumentation zur Raketenentwicklung besuchen. Bekannt ist ja
die Heeresversuchsanstalt Peenemünde, die nach dem 2. Weltkrieg zunächst von Russ.
Truppen und später dann von der NVA übernommen wurde. Von der ursprünglichen
(Raketen-)Anlage ist praktisch nichts mehr (original) erhalten, man sieht nur noch
einige Nachbildungen. Erhalten ist das Kohlekraftwerk, in dem sich heute die
Ausstellung zur Geschichte dieses Geländes befindet.

Das Kohlekraftwerk mit dem Kohlenkran:

Bild

2.) Phänomenta

http://www.phaenomenta-peenemuende.de/start.php

In dieser Ausstellung sollen dem Besucher physikal. Phänomene erläutert werden.
Dazu sind eine Reihe von Experimenten aufgebaut, die in aktiver Mitarbeit erfahren
werden können.


3.) Spielzeug-Museum

http://peenemuende.info/D/spielzeugmuseum/index.html

Hier findet man altes und neues Spielzeg.


4.) U-461

http://www.u-461.de/frameset.htm

Dieses russ. U-Boot gehörte zu den größten dieselgetriebenen U-Booten
weltweit. Vor der Besichtigung wird gewarnt, dass diese für Gebrechliche
oder Menschen mit Platzangst nicht geeignet ist. Und dies sollte man
Ernst nehmen! Unglaublich, in welcher bedrückenden Enge die Mannschaft
in so einem Boot quasi 'vegetieren' musste. 'Einzelkabinen' (in etwa
von der Größe eines besseren Kleiderschrankes...) gab es nur für den
Kapitän, den Politoffizier und den leitenden Ingenieur. Für die ganze
Mannschaft nur 2 Toiletten und - was als großer Fortschritt galt - 1 Dusche...
Für die Besucher war das U-Boot ja halbwegs beleuchtet und belüftet,
aber wenn ich mir diesen schwimmenden 'Blechsarg' im Betrieb vorstelle:
dunkel, jeder Quadratzentimeter zugestopft mit Technik in bedrückender
Enge, die Luft heiss, stickig und ölgeschwängert durch den riesigen
Schiffsdiesel, dazu dann noch der Lärm... Da konnte man froh sein, wenn
man wieder hinaus an die frische Luft durfte.

U-461 im Hafen von Peenemünde:

Bild

Bild

Gegen 16:00 Uhr wurde dann der Hafen Peenemünde verlassen und Kurs auf
Lauterbach/Rügen genommen. Und wie hiess es dann so schön: die nächsten
2 Stunden ist die Straße nicht asphaltiert, da haben wir nur Kopfsteinpflaster...
Und so war es auch: eine frische Brise und der Greifswalder Bodden öffnet
sich ja weit zur offenen Ostsee hin. Das Schiff stampfte und rollte,
der gesamte Inneneinrichtung ächzte und knarrte unter den Verwindungen
des Stahlrumpfes. Jetzt wusste man, warum auf dem Hauptdeck alle Fenster
fest verglast waren: die Brecher klatschten bis an die Oberkante
der Fenster. Ich wage icht daran zu denken, was da etwa Treibgut bewirken
könnte. Allerdings sollen die Fenster wohl Treibholz standhalten, Probleme
bekäme man nur z. Bsp. bei einem treibenden Container im Wasser. IMHO war die
Passage schon leicht grenzwertig, denn das Schiff hat ja nur eine Zulassung
für die Boddengewässer.

Um 18:00 Uhr wurde dann aber wohlbehalten der Hafen Lauterbach erreicht, wo
das Schiff auch über Nacht lag.

http://maps.google.de/?ie=UTF8&ll=54.34 ... 9&t=h&z=17

Die Swiss Coral im Hafen von Lauterbach (im Hintergrund ist die Insel Vilm zu sehen):

Bild
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Gerd Ramm
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Re: Reisebericht Oder/Ostsee 2010

Beitrag von Gerd Ramm »

Die gleichen Gedanken hatte ich auch bei dem Seegang. Die Fenster des Restaurants glichen einer Waschmaschine, aber der Käptn meinte: alles ist normal.
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Re: Reisebericht Oder/Ostsee 2010

Beitrag von goll1 »

Tag 5

Der kleine Ort Lauterbach ist ja mittlerweile nur mehr ein Ortsteil von
Putbus und diente als Ausgangspunkt für die Inselrundfahrt Rügen. Gegenüber
dem Hafen liegt die Insel Vilm. Diese war zu DDR-Zeiten 'ErichS Ferieninsel',
i.e. dort befanden sich die Ferienhäuser des Ministerrats und für
'Normalsterbliche' war die Insel nicht zugänglich. Nach der Wende wurde die
Insel dann in ein Naturschutzreservat umgewandelt:

http://www.bfn.de/06_akademie_natursch.html

Auf der Insel befindet sich 'Urwald', d.h. schon seit langem ohne menschl.
Eingriffe wachsender Wald und eine Naturschutzakademie. Zum Schutz der Natur
ist die Besichtigung der Insel auch nur im Rahmen einer Führung möglich. Da
dafür aber nicht genug Zeit zur Verfügung stand, machte ich mich auf den Weg
nach Putbus. Die Pressnitztalbahn bedient die Stichstrecke vom Bahnhof
Bergen nach Lauterbach-Mole:

http://www.ruegensche-baederbahn.de/

Der Triebwagen der Pressnitztalbahn:

Bild

In der Sommersaison verkehrt der 'Rasende Roland' von Göhren bis nach Lauterbach
Mole, ansonsten nur bis Putbus. Mit dem Triebwagen bin ich dann von Lauterbach-Mole
nach Putbus gefahren, dort stand auch schon abfahrbereit der 'Rasende Roland'.

Der 'Rasende Roland':

Bild

Hätte ich früher den Fahrplan studiert, so wäre sogar eine Fahrt mit der
Dampfschmalspurbahn von Putbus nach Binz und direkt zurück zeitlich möglich gewesen.
So habe ich mir den Putbusser Circus angeschaut. (ein kreisrunder, großer Marktplatz
umgeben von weißen, klassizistischen Häusern; errichtet nach dem Vorbild in Bath, UK)
Putbus selbst wurde 1808-1823 von Fürst Malte als Residenzstadt gezielt geplant
angelegt. Vom Schloss existiert leider nur noch der Schlosspark, zu DDR-Zeiten
verfiel das Schloss und wurde schlussendlich 1962 abgerissen.

http://de.wikipedia.org/w/index.php?tit ... 0926032955

der Circus mit seinen Häusern:

Bild

Zurück nach Lauterbach ging es dann immer bergab durch eine Baumallee (leider
auch eine sehr stark befahrene Straße). Hierbei kommt man am 'Haus-Kopf-über'
vorbei.

Das 'verkehrte' Haus:

Bild

http://de.wikipedia.org/wiki/Haus-Kopf-%C3%BCber

12:30 Uhr hiess es dann 'Leinen los' zur Fahrt nach Stralsund. Um ca. 15:00 Uhr
wurde dann Stralsund erreicht, wobei der Liegeplatz sehr zentral direkt im
Hafen neben der Gorch Fock I gelegen war.

http://maps.google.de/maps?f=q&source=s ... 9&t=h&z=18

Eine Gasse in der Altstadt von Stralsund:

Bild

Stralsund, dessen Altstadt als Unesco-Weltkulturerbe anerkannt wurde, war sicher
einer der Höhepunkte der Reise. Es wurde zwar eine Stadtführung angeboten, aber
die Stadt läßt sich in wenigen Minuten vom Schiffsanlegeplatz auch sehr gut
selbst zu Fuß erkunden. Die Altstadt selbst ist ja quasi fast auf einer
Insel gelegen. Sehenswert sind die Marienkirche am Neuen Markt und der
Alte Markt mit Rathaus und Nikolaikirche. Und natürlich die ganzen Gässchen der
Altstadt 'drumherum'.

Der Alte Markt mit Nikolaikirche:

Bild

Danach habe ich noch das neu erbaute Ozeaneum (direkt
am Hafen) besucht, das wegen seiner Bauform liebevoll auch 'Klorolle' genannt
wird. Hier kann man in Schaukästen und riesigen Aquarien sehr viel Wissenswertes
über den Lebensraum Ostsee und Meer erfahren.

Das Ozeaneum (Spitzname: Klorolle...)

Bild

Ein Walskelett im Ozeaneum:

Bild

Zum Abschluss habe ich dann auch
noch die Gorch Fock besichtigt, wobei hier im Innern noch nicht allzu viel
zu sehen ist. Zur Zeit ist das Schiff noch nicht seetüchtig, aber die
Eintrittsgelder helfen dem Förderverein, das Schiff nach und nach zu restaurieren
und wieder seetüchtig instandzusetzen. Dann war es auch schon wieder Zeit zum
Abendessen.

Die Gorch Fock 1 im Stralsunder Hafen (dahinter die Swiss Coral):

Bild

IMHO war die Aufenthaltszeit für Stralsund eindeutig zu kurz bemessen. Hier hätte man
mindestens einen ganzen Tag Liegezeit benötigt, um halbwegs in Ruhe alles
besichtigen zu können. Am Abend kam dan kurz auch noch das Schwesterschiff
Saxonia längsseits, es wurde Personal ausgetauscht. Aber wie so oft im Leben,
manchmal sieht man sich ja zweimal....
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Re: Reisebericht Oder/Ostsee 2010

Beitrag von goll1 »

Tag 6

Am nächsten Tag frühmorgens nahm die Swiss Coral dann schon wieder
Kurs auf Zingst. Gegen 9:00 Uhr wurde nach einer Fahrt durch den
Barther Bodden dann Zingst erreicht.

http://maps.google.de/maps?f=q&source=s ... 9&t=h&z=18

Hier wurde eine Zeesboot-Rundfahrt angeboten. Zeesboote sind relativ flache
Segelboote, die aufgrunddessen auch für den Fischfang in den Boddengewässern
geeignet sind.

http://de.wikipedia.org/wiki/Zeesboot

Die Zeesboote:

Bild

Ich habe dann einmal den Ort (und die Halbinsel) durchquert und bin von
der Bodden- zur Seeseite geschlendert. Interessant fand ich dabei, dass
der Ort anscheinend fast völlig vom Fremdenverkehr lebt und der größte
Teil der Gebäude anscheinend erst nach der Wende errichtet wurde. Zuvor
diente der Ort auch als Militärstützpunkt und nachdem 1993 die Kaserne
geschlossen wurde, hat man den Ort grosszügig in Richtung Fremdenverkehr
entwickelt. Im Ort gibt es auch einige Fahrradverleihe, man hätte sich auch
für einige Stunden einen Drahtesel mieten können, um so die Insel auf den
Deichradwegen zu erkunden (wovon ansonsten auch reger Gebrauch gemacht wurde).

Der Gebäude und Straßen sind relativ neu:

Bild

Die Seebrücke:

Bild

Kurz vor mittag legte das Schiff dann wieder ab und nahm Kurs auf die Insel
Hiddensee, wo gegen 17:00 Uhr in Vitte angelegt wurde.

http://maps.google.de/?ie=UTF8&ll=54.56 ... 9&t=h&z=18

Dort konnte man mit dem Planwagen von Vitte nach Kloster und zurück
fahren. Da ich die Insel aber schon von einem früheren Besuch kannte,
machte ich mich zu Fuß auf einen Rundweg: von Vitte auf dem Deich an
der Boddenseite (Osten) nach Kloster und zurück auf dem Deich an der
Meerseite (Westen). Auf dem Luftbild ist der Rundweg ganz gut zu
erkennen:

http://maps.google.de/?ie=UTF8&ll=54.57 ... 9&t=h&z=14

Da die Planwagenfahrt sehr gemütlich verlief, war ich zu Fuß praktisch
gleichzeitig mit den Wagen da. Auf Hiddensee selbst gibt es - bis auf
wenige Ausnahmen - keine KFZ und alles wird mit dem Fahrrad erledigt.
An den Schiffsanlegestellen sind deshalb schaarenweise Fahrradanhänger
geparkt, die Einwohner fahren mit der Fähre nach Rügen oder aufs Festland
zum Einkaufen und nutzen zum Rücktransport die Fahrradanhänger.

Die Insel selbst ist noch relativ naturbelassen:

Bild

Ein Blick in Richtung Kloster, im Hintergrund habe ich den Leuchtturm auf dem Dornbusch markiert, dort gibt
es ja auch die bekannte Wetterstation.

Bild

Das Gerhart-Hauptmann-Haus in Kloster (links der Anbau ist Arbeitszimmer und Bibliothek):

Bild

Die Insel selbst liegt wie ein 'Riegel' vor der Westküste der Insel Rügen
und so ist über der Insel das ständige Tosen der Brandung zu hören,
da sich die Ostseewellen an der Ostküste von Hiddensee brechen. Sicher
ein schöner Urlaubsort, wenn man auf Ruhe und Natur steht.

Auf der Seeseite brandet die Ostsee gegen die Insel, der Strand ist durch schwere
Basaltblöcke geschützt:

Bild


Tag 7

Dies war ein reiner 'Seetag'. Schon frühmorgens verliess die Swiss Coral
die Anlegestelle und begab sich auf den Rückweg in Richtung Stettin. Dabei
gab es noch einmal einen 'techn. Zwischenstop' in Wolgast, um Frischwasser
zu bunkern.

Die Hubbrücke nach Usedom diesmal in hochgefahrener Stellung:

Bild

Aufgrund nur geringen Windes verlief diesmal die Fahrt auf den
Boddengewässern so ruhig wie auf dem Fluß.

Die Anflugschneise des (ehemaligen) Militärflugplatzes Peenemünde verläuft über den
Greifswalder Bodden, somit gibt es hier Türme für die Anflugbefeuerung:

Bild

http://maps.google.de/maps?f=q&source=s ... 8&t=h&z=13

In polnischen Gewässern wurde das Schiff dann von einem polnischen Lotsen
gefahren. Da die Strecke über das Stettiner Haff gut ausgetonnt ist,
hätte sicher auch das eigene nautische Personal steuern können, aber
wahrscheinlich ist dies so Vorschrift (AKA der 'Heizer auf der Elektrolok').

Teilweise waren es doch 'seeähnliche Verhältnisse', Wasser, soweit das Auge reicht,
und die Route wird teilweise auch von Seeschiffen befahren:

Bild

Gegen 20:00 Uhr wurde dann wieder dieselbe Anlegestelle in Stettin
erreicht.

http://maps.google.de/maps?f=q&source=s ... 9&t=h&z=18
goll1
4th Officer
4th Officer
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Registriert: 23.06.2009 17:36

Re: Reisebericht Oder/Ostsee 2010

Beitrag von goll1 »

Tag 8

Am Morgen wurde dann eine Stadtrundfahrt mit dem Bus angeboten,
ich habe mich aber zu Fuß auf den Weg zur Innenstadt begeben.
(15-30 Min.) Wobei mich in Stettin dann so einiges an Magdeburg
erinnert hat. Erstens: Stettin wurde wohl im 2. Weltkrieg ziemlich
großflächig zerstört und nicht immer wieder vorteilhaft aufgebaut.
Einzelen histor. Gebäude stehen da oft wie 'Spolien' zwischen allerhand
Neubauten. Und zweitens auch eine Stadt, wo man eigentlich so gar nicht
richtig bestimmen kann, wo denn nun das Stadtzentrum liegt. Nachträglich
habe ich auch einen Bericht in der lokalen Tageszeitung über Stettin gelesen.
Die Aussage eines Stadtführers war: 'Altstadt? Haben wir nicht, hier ist alles neu.'

Eines der älteren Gebäude in Stettin:

Bild

Ich habe mir dann die Jakobikirche angeschaut. Seit der Reformation diente
der Bau als lutherische Gemeinekirche, wurde im 2. Weltkrieg stark zerstört
und als Ruine nach dem Krieg wieder der kath. Kirche übergeben. Mittlerweile
ist die Kirche (zusammen mit St. Johannes in Cammin) wieder Bischofssitz
des Erzbistums Stettin-cammin. Dort konnte ich etwas erleben, was ich so auch
noch nicht gesehen habe. Anscheinend fand in der Kirche und auf dem
angrenzenden Platz gerade die Verabschiedung (oder Begrüßung) von Militärkadetten
statt. Die ganze Kirche war mit Soldaten gefüllt, eine Militärkapelle
spielte statt der Orgel und der Erzbischof zelebrierte die Messe. In
die Kirche marschierte im Gleichschritt eine Ehrenformation ein, der Offizier
mit gezogenem Säbel voran, gefolgt von Soldaten mit Gewehren und aufgepflanztem
Bajonett. In einer deutschen Kirche wohl so nicht denkbar...

Die Jakobikirche:

Bild

In der Innenstadt fühlte man sich dann gleich 'heimisch': Deutsche Bank, Schlecker,
Rossmann und ein ECE-Einkaufscenter im Bau. Dazu dann noch eine 'Shopping-Mall'
mit angegliedertem Multiplex-Kino. Welche deutsche Großstadt hat das mittlerweile nicht...

Der Anlegeplatz mit dem Stadtpanorama von Stettin:
(direkt am Oderufer verläuft leider eine vierspurige Hauptverkehrsstr.)

Bild

Gegen Mittag ging es dann weiter oderaufwärts. Auch hier fuhr wieder der
poln. Lotse. Allerdings ist die Oder rund um Stettin auch etwas 'unübersichtlich',
da sich der Fluß quasi in einem Delta in viele kleinere Flussläufe mit
vielen Inseln dazwischen zergliedert. Da muss man dann schon jeweils den
richtigen Abzweig nehmen. An der Stadtgrenze von Stettin ging der Lotse
dann von Bord, anschliessend ging die Fahrt weiter, diesmal jedoch auf der
Westoder.

Während der Flußarm der Ostoder eher als Verkehrsweg dient, bietet die
Westoder praktisch 'Natur pur'. Der Fluß durchfließt ja hier den Nationalpark
Unteres Odertal. Es war relativ schönes (wenn auch etwas kühles) Wetter und man
konnte die Auenlandschaft vom Sonnendeck aus genießen. Der Naturpark ist nur relativ
dünn besiedelt und auch kaum durch Straßen erschlossen. Man kann ihn deshalb
auch am besten vom Schiff aus erkunden. Die Fahrt durch diese noch einigermaßen
unberührte Natur war ein weiterer Höhepunkt dieser Reise.

Die Auenlandschaft zwischen West- und Ost-Oder:

Bild

Zwischendurch gab es nur einen kurzen Stopp in Schwedt, um einen 2. Kapitän
an Bord gehen zu lassen (der Steuermann war wohl in Stettin an Land gegangen).
Kurz vorm verlassen der Westoder wurde dann wieder die Schleuse Hohensaaten
passiert, diesmal war es dann natürlich die Westschleuse.
Der Nachtstopp erfolgte dann gegen 20:00 Uhr wieder in Oderberg.


Tag 9

Nachdem morgens die Busgäste für den Ausflug in den Nationalpark Odertal
das Schiff verlassen hatten (die Rundfahrt ging praktisch wieder zurück
in das Gebiet, welches die Swiss Coral am Nachmittag zuvor durchfahren hatte),
ging es weiter durch den Oderberger See
wieder zum Schiffshebewerk Niederfinow. Auf der Luftaufnahme:

http://maps.google.de/?ie=UTF8&ll=52.85 ... 9&t=h&z=17

sieht man am oberen Bildrand noch die Reste der alten Schleusentreppe,
am unteren Rand das jetzige Schiffshebewerk und dazwischen wird
mittlerweile das neue Schiffshebewerk erbaut. Diesmal war etwas längeres Warten angesagt,
denn zunächst musste ein leerer poln. Schubverband nach unten abgesenkt
werden. Da diese Schubverbände für den Hebetrog zu lang sind, müssen
sie in 2 Teilen bewegt werden: zunächst nur 1 Schubleichter, dann der
zweite Schubleichter samt Schubboot. Zum Navigieren des antriebslosen
Leichters gab es früher eine elektrische Treidellok (jetzt als Museumsstück
ausgestellt), jetzt eine Seilzuganlage. (quasi ein 'Skilift' für Schiffe)

Die untere Einfahrt zum Schiffshebewerk:

Bild

Das Schiffshebewerk verfügt auch über eine 'Zuschauertribüne':
(im Vergleich mit den Personen erkennt man, wie riesig die Konstruktion ist)

Bild

Nach dem Passieren des Schiffshebewerkes ging es weiter nach Eberswalde.

http://maps.google.de/?ie=UTF8&ll=52.85 ... 9&t=h&z=17

Hier gab es dann wieder einen techn. Stopp bis zur Mittagszeit. Dies
aus 2 Gründen: einmal musste man auf die rückkehrenden Ausflugsgäste
der Busrundfahrt warten, und zweitens gibt es auf dem Kanal in bestimmten
Streckenabschnitten 'Einbahnverkehr'. Der Kanal ist nämlich teilweise so
schmall gebaut, dass ein Begegnungsverkehr nicht möglich ist. Dort
ist der Schiffsverkehr per Uhrzeit geregelt, i.e. je nach Uhrzeit darf der Kanal
nur in die eine oder die andere Richtung befahren werden. Der Kanalabschnitt
von Eberswalde bis Oranienburg führte dann wieder durch relativ viel Wald
und Natur. Diesmal konnte man dies auch geniessen, da auf der Hinfahrt
dieser Abschnitt ja spätabends bzw. frühmorgens passiert wurde.

Bei Begegnungsverkehr geht es doch relativ eng zu:

Bild

Am späten Nachmittag wurde dann die Lehnitzschleuse passiert.

Bild

http://maps.google.de/?ie=UTF8&ll=52.76 ... 9&t=h&z=17

Gegen 21:00 Uhr war dann wieder die Anlegestelle Berlin-Tegel erreicht.
Dort lag bereits am selben Steg gegenüber das Schwesterschiff Saxonia,
welches auf derselben Route für Phönix unterwegs ist. Man sieht sich halt
immer zweimal...

Die beiden Schwesterschiffe Seit an Seit:

Bild


Tag 10

Für diesen Tag war zwar 'Ausschiffung ab 9:30 Uhr' angekündigt, aber in
realiter war dies dann 'Ausschiffung bis 9:30 Uhr'. Wobei es an diesem
Morgen noch einen Zwischenfall gab.

Ab und an hatte ich in unserer Nasszelle (bereits bei der Fahrt im Frühjahr)
einen gewissen Abwassergeruch wahrgenommen. Ich habe dies immer auf einen
nicht ganz zuverlässig funktionierenden Geruchsverschluss zurückgeführt.
Die letzte Nacht schien dann die Toilette 'Blähungen' gehabt zu haben, jedenfalls
hörte es sich akustisch so an.

Im unteren Deck gab es dann frühmorgens große Aufregung, denn eine (oder
mehrere) Kabinen standen unter Wasser. Die Mannschaft war bereits dabei,
mit Nassaugern das Wasser wieder aufzunehmen. Daneben hörte ich noch von
einem Fahrgast, dass das Schiff am Tag zuvor wohl deutlich vernehmbar im
Kanal (wegen der Enge existiert dort ja an einigen Abschnitten Einbahnverkehr,
ausserdem sind die Ufer mit dicken Basaltblöcken befestigt) Grundberührung
hatte. Die Herkunft der Überschwemmung war also unklar. Angeblich sollte
sogar ein Taucher bestellt worden sein, um das Schiff zu untersuchen.
Die wahre Ursache konnte ich nicht mehr eruieren, da bei der Abreise ziemliche
Hektik herrschte. Zudem musste das Schiff bereits nachmittags wieder in Potsdam
sein, um dort eine neue Reisegruppe aufzunehmen. (und deshalb den Liegeplatz
recht frühzeitig verlassen)

Die Fahrt mit dem Bus zum Bahnhof Spandau und auch die Rückreise per Bahn
verlief jedoch pünktlich, zügig und problemlos.

BTW: seit einigen Tagen liegt die Swiss Coral anscheinend in den Niederlanden
in Hardinxveld. Könnte es sein, dass hier in der Damen-Werft Reparaturarbeiten
durchgeführt werden?
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Re: Reisebericht Oder/Ostsee 2010

Beitrag von Raoul Fiebig »

goll1 hat geschrieben:BTW: seit einigen Tagen liegt die Swiss Coral anscheinend in den Niederlanden
in Hardinxveld. Könnte es sein, dass hier in der Damen-Werft Reparaturarbeiten
durchgeführt werden?
Hallo Karl-Josef,

erst einmal herzlichen Dank für den ausführlichen Reisebericht.

Die "Swiss Coral" liegt allerdings in diesem Moment in Köln (laut AIS-Signal und Scylla <PIEP>). ;)
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Re: Reisebericht Oder/Ostsee 2010

Beitrag von goll1 »

Vielleicht noch ein Postskriptum: was mir bei Flußkreuzfahrten so gut gefällt, ist das Motto: 'der Weg ist das Ziel'. Auf See sieht man ja meist viel Meer und ist somit mehr oder weniger auf das Unterhaltungsprogramm des Schiffes bzw. die Ausflüge angewiesen. (eine Ausnahme bilden hier die Hurtigruten, aber die Innenpassage ist da ja fast auch schon eine 'Flusskreuzfahrt mit einem größeren Schiff) Bei Flusskreuzfahrten benötige ich kein Unterhaltungsprogramm, die vorbeiziehende Landschaft ist da schon Programm genug. Dazu kommt dann noch der Vorteil eines kleinen Schiffes, welches meistens recht ortsnah anlegen kann, so dass Transfers und Ausflüge nicht unbedingt nötig sind, man kann sehr vieles auch direkt 'per pedes' erledigen und anschauen. Dazu kommt dann noch, dass ein kleineres Schiff auch 'ausgefallenere' Routen befahren kann. Auf der Swiss Coral hat mir insbesondere auch die familiäre Atmosphäre gefallen. Da ist man halt nicht der Passagier von Kabine 4711, sondern noch Herr XYZ und bekommt z. Bsp. auch ohne Ansage den richtigen Kabinenschlüssel an der Rezeption in die Hand gedrückt. (drastisch gesagt: Familienhotel statt 1000-Betten-Bunker)

Viele Grüße,

- Karl-Josef
goll1
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Re: Reisebericht Oder/Ostsee 2010

Beitrag von goll1 »

Raoul Fiebig hat geschrieben:Die "Swiss Coral" liegt allerdings in diesem Moment in Köln (laut AIS-Signal und Scylla <PIEP>). ;)
Ja, den Bericht hatte ich schon zuvor verfasst, aber erst heute hochgeladen. Sorry. Vor ca. 2-3 Wochen wurde für längere Zeit als Standort Hardinxveld angezeigt (und der <PIEP> abeitet für die Swiss Coral relativ korrekt) und dort gibt es eigentlich nur ein bemerkenswertes Ziel, nämlich die Damen-Werft, welche auch als Standort gemeldet wurde. Und diese Werft ist nach eigener Auskunft ja auf Wartungsarbeiten und Reparaturen spezialisiert.

Viele Grüße,

- Karl-Josef
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