Nachdem ich jetzt mal wieder etwas Zeit gefunden habe, möchte ich über unsere Flußkreuzfaht
Berlin - Havel - Oder - Ostsee und zurück mit der Swiss Coral im September 2010 berichten.
Wir waren ja bereits im Frühjahr mit demselben Schiff auf der Elbe nach Dresden und Prag
unterwegs. Damals hat es uns so gut gefallen, dass wir auf diesem Schiff dann auch wieder
eine Route gebucht haben, die (noch) nicht so 'überlaufen' ist. Daneben hatten wir auch
wieder dieselbe Kabine, also: same procedure as every....
Zum Schiff selbst brauche ich nicht so viel zu sagen, das habe ich ja bereits im Reisebericht
zur Elbe-Kreuzfahrt abgehandelt. Das Personal war größtenteils gleich geblieben, man erkannte
uns auch (teilweise mit Namen!) wieder. Man merkte das sofort, wenn man auftauchte und das
Personal bereits griente. So etwas ist wahrscheinlich auch nur auf einem relativ kleinen Schiff
möglich, wo die Atmosphäre noch familiär und der Gast keine 'Nummer' ist. Bei 2 Positionen
gab es eine Auswechslung: ein neuer Küchenchef und ein neuer Restaurantchef, und auch
ein anderer Reiseleiter. Wobei ich erfahren habe, dass auch der Reiseleiter nicht
fest beim Reiseveranstalter beschäftigt ist, sondern in Form einer 'Ich-AG' arbeitet.
Die Menuefolge war praktisch identisch mit der im Frühjahr, aber dies ist wohl kein
Wunder, da in dieser kleinen Küche halt eben nur eine begrenzte Anzahl von Gerichten
möglich ist, auf die das Küchenteam auch 'eingespielt' sein muss. Als Änderung gab
es nur zusätzlich zu den 'Schaumsüppchen' jetzt immer auch eine klare Suppe. IMHO hätten
die Speisen etwas pikanter abgeschmeckt sein können, aber dies ist ja bekanntlich
Geschmacksache.
Tag 1
Die Anreise erfolgte wie üblich per Bahn zum ICE-Bahnhof Berlin-Spandau. Eigentlich
hätte das Schiff auch in Spandau (in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs) anlegen sollen,
aber wie bereits berichtet gab es dort wohl Klagen von Anwohnern und eine anstehende
Renovierung dieser Anlegestelle, so dass die Flußkreuzfahrtschiffe in Berlin jetzt
den Tegeler See anlaufen.
http://www.berlinonline.de/berliner-zei ... index.html
Am Bahnhofsausgang stand dann auch schon einer der Kellner bereit, der die Passagiere
für den Transferbus von Spandau nach Tegel 'einsammelte'. Einen sehr großen Nachteil
hat die Anlegestelle in Tegel: sie kann per Straße nicht angefahren werden (absolute
Fußgängerzone). Also keine Taxis, keine Busse, keine Anlieferfahrzeuge, nichts. Die
Passagiere müssen vom Bus einige hundert Meter bis zum Schiff laufen. Glücklicherweise
kam man auf die Idee, zumindestens Gepäckkarren zur Verfügung zu stellen, im Frühjahr
musste die Besatzung auch noch alle Koffer einzeln vom Schiff zum Bus schleppen. Ich
halte dies für eine politische Fehlentscheidung: wenn man schon Kreuzfahrttourismus
möchte, dann sollte man auch (zumindestens temporär) die Andienung der Schiffe erlauben.
Bei unserer Ankunft waren bereits die meisten anderen Passagiere an Bord, so dass das
Schiff bereits direkt nach Ankunft der Busgäste ablegte. Auch hier wieder die bereits
früher gemachte Erfahrung: das Schiff war meistens überpünktlich, man war also gut
beraten, eher immer etwas früher als im Fahrplan angegeben an Bord zu sein.
Die Swiss Coral am Tegeler See:

Tag 2a
Danach fuhr das Schiff dann noch bis spätabends durch (Marienwerder?), um frühmorgens
bereits in der Nähe des Schiffshebewerkes Niederfinow zu sein. Während des Frühstücks
wurde dann das Schiff im Schiffshebewerk vom Oder-Havel-Kanal zur Oder abgesenkt.
Einschub Schiffshebewerke:
Der ehemalige Hohenzollernkanal (jetzt: Oder-Havel-Kanal, Vorgänger: Finowkanal)
verläuft in seinem östlichen Teil als Scheitelhaltung, i.e. er ist höher angelegt
als das umgebende Gelände. Somit müssen die Schiffe hinunter zur Oder verbracht werden.
Zunächst geschah dies durch eine Schleusentreppe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schleusent ... iederfinow
Hier waren 4 Schleusen 'in Serie hintereinandergeschaltet', dieser Weg war jedoch
sehr zeitaufwendig und ließ keine größeren Schiffe zu. Also baute man parallel dazu
das (bereits ursprünglich geplante) Schiffshebewerk.
http://de.wikipedia.org/wiki/Schiffsheb ... iederfinow
Das Schiffshebewerk besteht aus einem gigantischen Stahlgittergerüst, welches als
Halterung für einen großen, wassergefüllten Trog dient. Man macht sich hier das
archimedische Prinzip zunutze: jedes Schiff verdrängt soviel Wasser, wie es selbst wiegt.
Somit ist der wassergefüllte Trog immer gleich schwer, egal ob mit oder ohne Schiff
beladen. Somit läßt sich das Gewicht des Troges durch (gleichschwere) Gegengewichte
aus Beton ausgleichen. Diese sind mit 256 armdicken Stahlseilen, die über große
Umlenkrollen oben auf dem Stahlgerüst geführt werden, mit dem Trog verbunden. Ausserdem
hängen an einigen dieser Gegengewichte noch dicke Gewichtsketten herunter, die das
Gewicht der Stahlseile selbst ausgleichen. Somit befindet sich der Trog praktisch
im Gleichgewicht, es muss also strenggenommen gar nichts gehoben, sondern nur
vertikal verschoben werden. Zur Überwindung der Reibung genügen 4 Elektromotoren mit nur
jeweils 55 KW Leistung. Diese sind mit Wellen untereinander verbunden und greifen über
Zahnräder in ein Innengewinde im Stahlgerüst ein. Die 36 m Höhenunterschied werden in nur
5 min. überwunden, die eigentliche 'Fahrt' erfolgt also erstaunlich schnell. Wesentlich
diffiziler ist die Ein- und Ausfahrt, da das Schiff genau auf die Trogabmessungen hin
konstruiert wurde und es nach vorne, hinten und den Seiten jeweils weniger als 1 m
Abstand sind.
Man sieht, es geht sehr eng zu. Der Träger in Bildmitte befindet sich gerade mal in Brusthöhe über dem Sonnendeck, links und rechts sieht man die Wellen, die die 4 Antriebsmotoren synchron halten:

Hier sind die schweren Betongegengewichte an den Stahltrossen zu sehen, die das Gewicht des Troges ausgleichen:

Dieses Bild zeigt am rechten Bildrand die Zahnstange, in die die Zahnräder zum Bewegen des Troges greifen. Der rote Pfeil markiert eine der Gewichtsketten, die als Gegengewicht für die vielen Stahltrossen dienen:

Ein Blick zum hinauf zum oberen Tor des Schiffshebewerks:

BTW: das Schiffshebewerk Magdeburg benutzt ein anderes Prinzip zum Gewichtsausgleich:
hier steht der Trog auf 2 großen Stahlgittersäulen. Diese 2 Säulen sind mit riesigen
Schwimmern verbunden, die sich in 2 wassergefüllten Kavernen im felsigen Untergrund
befinden. Diese Schwimmer erzeugen genau soviel Auftrieb, wie der Trog wiegt. Auch das
Schiffshebewerk Henrichenburg arbeitet nach diesem Prinzip. Mit dieser Bauweise
sind jedoch nur begrenzte Hubhöhen möglich, die Lösung Seil+Ausgleichsgewichte erlaubt
auch hier größere Höhenunterschiede zu überwinden.
Zwischen Schleusentreppe und Schiffshebewerk sieht man bereits die Kräne für ein
neues, noch größeres Schiffshebewerk. Damit soll der Kanal dann auch für
Großmotorschiffe befahrbar gemacht werden. Schleusentreppe und (altes) Schiffshebewerk
stehen aber unter Denkmalschutz und bleiben so weiterhin erhalten.
Auf der linken Seite das alte Schiffshebewerk mit der Vorlandbrücke, rechts daneben die Kräne für den Neubau eines größeren Schiffshebewerks:
