(Kurz-)Reisebericht Rhein-Main-Donau-Kanal

Nicht nur auf hoher See kann man die Annehmlichkeiten einer Kreuzfahrt genießen, sondern auch auf Flüssen, Seen & Kanälen
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goll1
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(Kurz-)Reisebericht Rhein-Main-Donau-Kanal

Beitrag von goll1 »

Hallo!

Die Daten:

Schiff TC Bellevue
2. - 7. 9. 2014
von Passau nach Köln

Motto: Wir warten auf die Schleuse...

Schiff:

Bei der TC Bellevue handelt es sich um einen Twin Cruiser der ersten Generation. D.h.: Hotelschiff und Motoreinheit sind getrennt. Hier wurde es so realisiert, dass die Hoteleinheit auf einem Schubleichter aufgebaut wurde und man dahinter dann ein 'normales' Schubboot gesetzt hat:

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Selbstverständlich natürlich am KD-Steiger festgemacht.

Bei neueren Schiffen der 2. Generation hat man dann die Motoreinheit auch optisch ins Schiff integriert:

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Der Vorteil ist natürlich, dass die Vibrationen des Motors vom übrigen Schiffsrumpf entkoppelt werden, solche Twin Cruiser fahren dann (insbesondere nachts) außerordentlich laufruhig. Das Schiff wurde 2006 auf der Neptunwerft in Rostock gebaut. Die Maße entsprechen denen eines üGMS (135m lang, 11,45m breit); auch viele Frachtschiffe sind nach diesem Normmaß gebaut.

Das Schiff verfügt über 4 Decks:

Unterdeck: 5 Kabinen, Fitnessraum mit Sauna, ansonsten sind hier die Küche und Crewkabinen untergebracht
Hauptdeck: Kabinen, Restaurant (etwas tiefer)
Oberdeck: Kabinen, Lounge mit Bar (etwas höher)
Sonnendeck (mit Whirlpool)

Zwischen allen Decks (und Restaurant + Lounge) gibt es nur Treppen, kein Aufzug, auch keinen Treppenlift. Für stark gehbehinderte Personen also eher nicht zu empfehlen.

Die Kabinen sind mit ca. 13 qm nicht allzu groß. Es gibt 2 getrennte Betten (1 Klappbett, 1 Schlafcouch), 1 Stuhl und 1 kleiner, runder Glastisch. Alle Kabinnen auf Haupt- und Oberdeck verfügen über einen französischen Balkon mit Schiebetür. Im Schrank gibt es genügend Ablagemöglichkeiten und auch einen kleinen Safe. Die Nasszelle ist sehr klein. So ziemlich die kleinste, die ich bisher auf einem Flusskreuzer gesehen habe. Da kann sich wirklich nur eine Person aufhalten. Vor sich hat man ein kleines Waschbecken, rechts die Vakuumtoilette, links die Duschkabine. Alles nur durch Drehung ohne einen Schritt zu erreichen. Ablagemöglichkeiten und Haken sind aber genügend vorhanden.

Der Brillenelefant:

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Das Catering/Hotel-Management erfolgt durch G&P (Gsell und Partner). Hier muss ich doch einige Abstriche machen. Das Personal war recht 'bunt zusammengesetzt': Österreich, Deutschland, Indonesien, Bulgarien, Ungarn, Rumänien, Russland, etc. Da gab es schon Abstriche in der Koordination. Wenn ich es z. Bsp. mit einem anderen Schiff vergleiche, wo eine rein bulgarische Crew (und dies schon seit Jahren zusammen) arbeitet: da 'flutscht' der Service, die Crew versteht sich fast blind. Hier jedoch war anscheinend Englisch die 'lingua franca' und da kam es teilweise zu Abstimmungsproblemen.

Oder wenn ich mir die Speisen anschaue: da gab es dann oft Hackfleisch, Schweinefleisch, Hühnerfleisch; selten Rindfleisch und z. Bsp. kein Lachs. Da merkt man schon, wo gespart wird. Der deutsche Gast erwartet auch Brötchen zum Frühstück, die waren auf diesem Schiff auch Mangelware. Auf Brötchen musste man längere Zeit warten und wenn welche kamen, waren sie im Nu vergriffen. Zum Ende der Reise gab es dann gar keine Brötchen mehr. So etwas sollte eigentich logistisch nicht passieren. Viele Speisen kamen auch nur halb warm am Tisch an. Grund: das Restaurant ist sehr groß, trotzdem mit beengter Sitzweise und hat keine Ablagemöglichkeiten für die Kellner. Die Speisen mussten also alle recht mühsam von der Küche im Untergeschoß über eine Treppe quer durchs Restaurant geschleppt werden. Von der Schiffsplanung her ein Fehler. Später wurde es dann besser, da waren die Teller etwas vorgewärmt. Oder: aufgrund der Enge wurden die Teller vom/zum Gang aus von den Gästen am Tisch durchgereicht. Eigentlich auch ein NoGo im etwas gehobenen Gastronomiebereich.

Einziger Vorteil dieser Bauweise: nach vorne heraus gibt es eine 'riesige' Glasfront, quasi als Panoramasalon zum Bug hinaus. Allerdings wurde es auch teilweise im Salon eng, da das Schiff mit fast 180 Passagieren quasi ausgebucht war.

Mein Fazit: dieses Schiff wäre ein schönes Produkt, wenn man nur 160 Passagiere eingeplant hätte. Für 180 Passagiere ist der vorhandene Platz (Kabine, Nasszelle, Restaurant, Lounge) schlicht und einfach zu beengt. Insofern halte ich auch 4,5 Sterne für zu hoch angesetzt, im Vergleich zu anderen Schiffen würde ich im Gesamturteil mit 3,5 Sternen taxieren.

Fortsetzung folgt...
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Re: (Kurz-)Reisebericht Rhein-Main-Donau-Kanal

Beitrag von goll1 »

Vielleicht eine Bemerkung vorweg:

Wie man uns sagte, gibt es von Passau bis zum Schwarzen Meer (also eine ziemlich lange Strecke) 13 Schleusen. Von Passau nach Mainz aber deren 55(!). Also DIE Fahrt für Schleusenfreunde. Das bedeutet aber auch, dass aufgrund niedriger Schleusenbrücken praktisch die ganze Fahrt über das Sonnendeck geschlossen ist. Höchstens einmal an Anlegeplätzen hat die Crew ca. ein Drittel des Sonnendecks 'provisorisch' geöffnet. Da wir gutes Wetter hatten, strömten dann natürlich alle Passagiere aufs Sonnendeck. Folge: alles überfüllt und keine Sitzgelegenheiten mehr. Die Passagiere griffen dann zur Selbsthilfe und 'organisierten' Stühle vom geschlossenen Teil des Sonnendecks, was wiederum den Kapitän erzürnte.

Mein Rat: möglichst für diese Fahrt ein 'flaches' 3-Deck-Schiff buchen, Schiffe mit 4 Decks sind schlicht und einfach zu hoch.
Und an die Reiseveranstalter: es wäre fair, schon im Voraus im Katalog zu erwähnen, dass auf dieser Fahrt das Sonnendeck größtenteils nicht zu nutzen ist. Ansonsten hätte es auf dieser Fahrt fast schon eine 'Meuterei' der Passagiere gegeben.

Abgefahren wurde in Passau, natürlich in Lindau:

http://goo.gl/maps/xpHJg

Leider ging die Fahrt bei Regen los, in den folgenden Tagen war es aber dann ab Mittag jeweils sehr schön.

In Regensburg legen die Schiff relativ zentrumsnah an, in einem 'toten' Donauarm (d.h. die Schiffe fahren hier nicht weiter, sondern wieder rückwärts hinaus, um dann die Schleuse Regensburg in einem anderen Donauarm zu passieren):

http://goo.gl/maps/lH21S

Hier kann man die Stadt tatsächlich vom Schiff leicht zu Fuß erkunden. Sehenswert sind dort Dom und Altstadt.

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In Bamberg lag das Schiff dann im Industriehafen neben der Da Vinci, die 1 Deck niedriger ist. (BTW: die Da Vinci scheint ein Schwesterschiff der Elegant Lady zu sein.):

http://goo.gl/maps/StmMc

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Von hier kann man (wenn man gut zu Fuß ist) in die Stadt laufen, mit großem Schritt sind es etwa 30-45 min. vom Hafen in die Innenstadt bzw. zum Dom. Es gäbe natürlich einen Kai direkt in Innenstadtnähe:

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Aber leider dürfen dort wohl keine Schiffe anlegen, evtl. ist es auch zu eng.

In der nächsten Nacht gab es 4 Stunden Verzögerung, da man auf eine defekt Schleuse warten musste. In diesem Abschnitt gibt es auch 4 Großschleusen, die teilweise als Sparschleusen gebaut wurden. Jede dieser Schleusen hat einen Hub von ca. 24 m(!), also zusammen 100 m. Bei solchen Höhendifferenzen setzt man eigentlich schon Schiffshebewerke ein. Bedingt durch die enorme Hubhöhe schaffen diese Schleusen auch maximal ein Schiff pro Stunde; man kann sich denken, welche Wartezeiten es dort bei Andrang gibt. Apropos Andrang: es waren (erheblich) mehr Kreuzfahrtschiffe als Frachtschiffe auf dem Kanal unterwegs; und zwar in beide Richtungen, insbesondere habe ich viele Schiff der Viking Flotte gesehen (von Amsterdam nach Budapest?).

Von Nürnberg habe ich keine Bilder, dort liegt das Schiff weit ausserhalb und Nürnberg ist mir von anderen Reisen gut bekannt. Der Liegeplatz:

http://goo.gl/maps/rSBcQ

Im Prinzip kann man bis zur Brücke (Hafenstr.) laufen, dort den Bus Linie 67 bis Frankenstr. stadteinwärts nutzen und dann von dort mit der U 1 direkt zur Lorenzkirche in der Fußgängerzone fahren. Das habe ich jedoch nicht getestet.

Fortsetzung folgt...
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Re: (Kurz-)Reisebericht Rhein-Main-Donau-Kanal

Beitrag von Digiman25 »

Danke für den Bericht - ich bin auf die Fortsetzung gespannt.
Die Strecke reizt mich, nicht zuletzt wegen der vielen Schleusen und einiger Städte an der Strecke. Aber genau die vielen Schleusen haben mich bis jetzt auch abgehalten: ich habe keine Lust, die ganze Fahrt unter Deck gesperrt zu werden.
Angedacht war die Fahrt im Herbst 2015 mit der Silva von A-Rosa. Die Silva ist im vorderen Bereich niedriger und muss - zumindest nach Katalogangaben - nicht dauernd komplett abgrüstet werden. Mal sehen...

Gruß aus Lippe
Walter
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Re: (Kurz-)Reisebericht Rhein-Main-Donau-Kanal

Beitrag von goll1 »

Ein Dreher hat sich leider eingeschlichen: natürlich lautet die Reihenfolge der angelaufenen Häfen Regensburg-Nürnberg-Bamberg.

Nach Bamberg endet auch der Rhein-Main-Donau-Kanal und geht in den Main über. Die Schleusen auf dem Main haben eine Breite von 12 m (bei 11,45 m Schiffsbreite) und eine Länge von 300 m (oft durch ein Tor zweigeteilt; ansonsten passen in jede Schleuse 2 Schiffe a 135 m Länge und evtl. noch ein kleines Boot). In den Schleusen ist also genaues 'Zielen' angesagt, an beiden Seiten sind gerade mal 25 cm Luft. Es ist eng:

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Das nächste Ziel hiess Würzburg. (Mitten in Würzburg gibt es übrigens auf dem Main auch noch eine Schleuse.) Auch hier gibt es 'Premium Liegeplätze' direkt in Innenstadtnähe, da lagen aber schon 2 Viking Schiffe. Also doch wieder nur 'Stop in der Pampa', i.e. Zell am Tanklager, wo man nur mit dem Bus nach Würzburg kommt:

http://goo.gl/maps/35UKz

Bild

Von einigen Passagieren wurde auch nachgefragt, ob es denn nicht einen reinen Shuttle-Service gäbe. Leider konnte man aber nur mit den Bussen mitfahren, wenn man den entsprechenden Ausflug gebucht hatte. Wer individuell etwas unternehmen wollte, war auf ein Taxi angewiesen. Hier auch meine Anregung: wenn man schon Liegeplätze in der Peripherie wählt, so sollte der Veranstalter auch einen Shuttle-Service (natürlich gegen Bezahlung) anbieten. In den Ausflugsbussen waren immer noch Plätze frei, daran konnte es nicht liegen.

Nächstes Ziel war Miltenberg:

http://goo.gl/maps/GQwyp

Miltenberg ist eine schönes Städtchen, was immer auch einen Ausflug lohnt. Zumal das Schiff hier sehr zentral liegt. Zudem war noch Michaelsmarkt (direkt vor dem Schiff an der Mainpromenade), es war also jede Menge los. Nur mit Mühe konnte man Besucher vom Schiff fernhalten, die eine Schiffsbesichtigung wohl als Teil des Marktgeschehens wähnten...

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Und der Ausflug: natürlich nicht Miltenberg, sondern Wertheim, wo man kurz zuvor mit dem Schiff vorbeigefahren war, was aber von Miltenberg auch wieder nur per Bus zu erreichen war...

Letzter Stop war Wiesbaden:

http://goo.gl/maps/7Bntp

natürlich auch dieses nur per Bus zu erreichen. Aber in Biebrich gibt es direkt am Rhein ein schönes Schloß (dieses kann man nicht besichtigen, im Innern befinden sich Büros. (BTW: wer die Fernsehserie 'Der Staatsanwalt' kennt: das voluminöse Büro befindet sich im Schloß Biebrich.) Aber hinter dem Schloß gibt es einen großen Schloßpark.

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Am Abend ging es dann (leider den größten Teil im Dunkeln) durch das Mittelrheintal nach Köln, wo man in Nähe des Hauptbahnhofs anlegte:

http://goo.gl/maps/Rpnj0

So weit mein Bericht. Wie man sieht, eine Reise mit etwas 'Ecken und Kanten', organisatorisch könnte man da an der einen oder anderen Stelle sicher noch etwas optimieren.

Ende.
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Re: (Kurz-)Reisebericht Rhein-Main-Donau-Kanal

Beitrag von goll1 »

Vielleicht noch ein Nachtrag:

Letztes Jahr wollten wir die Reise schon einmal unternehmen, in umgekehrter Richtung (Köln->Passau) , mit der Elegant Lady. Das wäre wohl die bessere Wahl gewesen, da das Schiff um ein Deck niedriger ist (Brückenproblematik) und da auch die Routenplanung auf dem umgekehrten Weg mir günstiger erscheint. Leider kam das Schiff damals nur bis Wertheim (Schutzhafen Wertheim-Glashütte), dann ging es wegen des Main-Hochwassers nicht mehr weiter, so dass wir die Reise dieses Jahr in umgekehrter Richtung mit der Bellevue wiederholt haben.
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